常棣
Anonymous (Shijing)
常棣之華,鄂不韡韡。
凡今之人,莫如兄弟。
死喪之威,兄弟孔懷。
原隰裒矣,兄弟求矣。
脊令在原,兄弟急難。
每有良朋,況也永歎。
兄弟鬩于牆,外禦其務。
每有良朋,蒸也無戎。
喪亂既平,既安且寧。
雖有兄弟,不如友生。
儐爾籩豆,飲酒之飫。
兄弟既具,和樂且孺。
妻子好合,如鼓瑟琴。
兄弟既翕,和樂且湛。
宜爾家室,樂爾妻孥。
是究是圖,亶其然乎。
Des Bruders Lob Johann Cramer
— in: Cramer, Johann (ed.). Schi-King, oder Chinesische Lieder, gesammelt von Confucius. Neu und frei nach A. La Charme's lateinischer Übersetzung bearbeitet. Fürs deutsche Volk hg. von Johann Cramer, Das himmlische Reich. Oder China's Leben, Denken, Dichten und Geschichte, 4 vols. Crefeld: Verlag der J. H. Funcke'schen Buchhandlung, 1844. p. 117f.
Die Kirsche hat die schönste Blüthe
Von allen Bäumen rings,
Es trägt kein Wild im Walde
Das Haupt hoch, wie der Hirsch;
So steht dein Bruder einzig da,
Von allen andern fern und nah
Hat Keiner solche Güte.
Wo graunerfüllt das Feld der Schlachten
Voll blut'ger Leichen liegt,
Bewährt es sich am besten
Was Bruderlieb' vermag;
Der Bruder nur, wer's immer sei,
Wird dir von seiner besten Streu
Ein Lager zu bereiten trachten.
Auf höchsten Felsen wohnt der Adler,
Und scheut nicht die Gefahr.
Wer auf den Bruder bauet,
Baut besser, als auf Freundesschwarm.
Ein Bruder gern die Rettung wagt,
Wo jeder andre Freund verzagt,
Mitleid'ger oder Tadler.
Der Bruder wird es stets gedenken,
Daß er mit dir geruht
An einer Brust, und daß er
Mit dir die ersten Spiele trieb.
Doch die vereinigt späte Zeit,
Willkürlich von dir bald und weit
Die eignen Schritte lenken.
Es mögen Brüder wohl erglühen
Voll Zorn in ihrem Haus,
Doch halten sie wie Säulen
Treu gegen Fremde aus.
Wo man dir einen Streich versetzt,
Fühlt sich der Bruder auch verletzt,
Eh sich ein Freund wird mühen.
Den Bruder nennt man wohl den lieben,
Wenn Noth vorhanden ist,
Doch wenn die Noth verschwunden,
Kein Unheil drängt das Haus,
Gibt's Brüder, welchen wohl der Freund
Noch lieber als der Bruder scheint;
O wollest das nicht üben!
Wenn zu der Ahnen hohem Feste
Im Hause, wohlgeschmückt,
Die Geige tönt, die Zitter klinget,
Und reichlich fließt der Wein;
Und jeder Bruder ist dabei,
Und jede Brust von Grolle frei,
Das ist beim Fest das Beste.
Wenn du mit Weib und Kind verträglich
In deinem Hause bist,
Dann mög' kein Bruder stören
Die schöne Einigkeit!
Doch stimmen auch die Brüder ein,
Sich eurer Eintracht mit zu freun,
Das mehrt die Freud' unsäglich.
So leb' in deines Hauses Kreise,
Dem Weib und Kind zur Lust;
Du wirst dann langsam alt in Freuden,
Nicht früh vom Gram verzehrt.
Dann siehst du, wenn du's recht bedenkst,
Und rückwärts deine Blicke senkst:
Was ich dir rieth, war weise.
Lob des Bruders Friedrich Rückert (1788–1866)
— in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 168-170.
Kein andrer Baum hat wie die Kirsche
So helle Blüte doch;
Kein ander Wild trägt gleich dem Hirsche
Das edle Haupt so hoch.
Von allen deinen Altersgleichen
Kann keiner an den Bruder reichen;
Wen darfst du ihm vergleichen?
Im Feld des Todes ist zu schauen,
Wie Bruderliebe siegt.
Wo das Gefild der Schlacht voll Grauen
Bedeckt mit Leichen liegt;
Wird Niemand wie dein Bruder eilen,
Um dir im Ebnen oder Steilen
Ein Bette zu ertheilen.
Der Adler horstet hoch, und schauet
Herab auf die Gefahr.
Wohl dem, der auf den Bruder trauet,
Und nicht auf Freudeschaar!
Ein Bruder wird die Rettung wagen,
Wo die getreuen Freunde zagen,
Und nichts als mit dir klagen.
Ein Bruder wird es nie vergessen,
Daß er an Einer Brust
Mit dir geruht, mit dir durchmessen
Den ersten Pfad der Luft;
Indessen, die sich später kennen,
Schon ihre eignen Pfade rennen,
Und leicht von dir sich trennen.
Es können wol die Brüder hadern
In ihres Hauses Wand;
Nach außen halten sie wie Quadern
Doch gegen Fremde Stand.
Wo man nach dir den Streich will führen,
Wird ihn an sich dein Bruder spüren,
Eh sich die Freunde rühren.
Den Bruder hält man wol in Ehren,
So lange währt die Noth;
Doch wo in Frieden wir verkehren,
Kein Sturm dem Hause droht,
Gibt's manche denen lieber schienen
Des Freundes als des Bruders Mienen;
Du halt es nicht mit ihnen!
Wenn zu der hohen Ahnenfeyer
Dir im geschmückten Haus
Die Geige tönet, klingt die Leyer,
Und fließt der Wein beim Schmaus;
Wenn dir dabei kein Bruder fehlet,
Und keiner einen Groll verhehlet,
Dann ist dein Fest beseelet.
Wenn zwischen deinem Weib und Kindern
Und dir ist Einigkeit;
O möge nie den Einklang hindern
Des Bruders Widerstreit!
Doch wenn mit Eintracht auch dawischen
Sich deiner Brüder Stimmen mischen,
Das wird die Lust erfrischen.
So mögest du des Hauses walten,
Erfreuend Weib und Kind;
In Freuden wirst du langsam altern,
Und nicht an Gram geschwind.
Du findest wol, wenn du's erwogen,
Und mit Erfahrung Rath gepflogen,
Ich habe nicht gelogen.
Die Bruderliebe Victor von Strauß (1809–1899)
— in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 259f.
Des wilden Kirschbaumes Blüthen,
Erschimmern sie nicht voll und reich?
Von allen Menschen unsrer Tage
Sind keine doch den Brüdern gleich.
Wenn Alle Tod und Trauer scheuen,
So halten Brüder fest in Treuen;
Und liegt's auf Berg und Thal zuhauf,
Der Bruder sucht den Bruder auf.
Bachstelzen laufen auf der Haid',
So eilen Brüder zu im Leid.
Die Einer hat, die guten Freunde,
Sind nur zum Seufzen stets bereit.
Die Brüder zanken wol im Hause,
Doch draußen steh'n sie sich zur Wehr.
Die Einer hat, die guten Freunde,
Die eilen nicht zum Beistand her.
Hat Leid und Streit dann aufgehört,
Sind Ruh' und Frieden eingekehrt,
Obwohl man dann auch Brüder habe,
Man hält sie nicht gleich Freunden werth.
Stell' deine Schüsseln du bereit,
Und thu' im Wein vollauf Bescheid,
Sind dann die Brüder dir zur Seit',
Herrsch' Eintracht, Freud' und Zärtlichkeit.
Sind Weib und Kinder hold verbunden,
Das ist wie Harf' und Lautenklang;
Und werden Brüder eins erfunden,
Giebt's Freud' und Eintracht lebenslang.
Mach' eins die deines Hauses sind,
So hast du Freud' an Weib und Kind.
Dem trachte nach, drauf sei gesinnt.
Wirst seh'n, daß also sich's befind't!