古朗月行
Li Bai 李白 (701–762)
小時不識月,呼作白玉盤。
又疑瑤臺鏡,飛在白雲端。
仙人垂兩足,桂樹作團團。
白兔擣藥成,問言與誰餐。
蟾蜍蝕圓影,大明夜已殘。
羿昔落九烏,天人清且安。
陰精此淪惑,去去不足觀。
憂來其如何,悽愴摧心肝。
Der Mond der Kinderzeit Otto Hauser (1876–1944)
— in: Wentzel, Julius. Am Liederquell der Völker. Die klassische Lyrik der Weltliteratur. Leipzig: R. Voigtländer's Verlag, 1912. p. 13f.
Als Kind einst wußt' ich nichts vom Monde, nein,
er war ein Schild aus weißem Edelstein,
der Spiegel von des Perlenturmes Wand,
der hinflog an der lichten Wolke Rand.
Der "sel'ge Mann" ließ beide Füße hängen,
die Zimmetbäume standen dort in Mengen.
Der weiße Hase braut Ambrosia;
ich fragte oft: "Wer aber trinkt es da?"
Und kam der Drache dann, der ihn verschlingt,
daß tief und tiefre Nacht herniedersinkt,
wie harrt' ich des, der die neun Vögel schoß,
bis wieder Freude war im Götterschloß!
Doch wenn sein Leuchten mehr und mehr verblaßte
und ich ihn schwinden sah und es nicht faßte,
wie kaum um etwas dann ergriff mich Schmerz,
und bittres Leid schnitt mir ins tiefste Herz.
Mond der Kindheit Klabund (1890–1928)
— in: Klabund. Dichtungen aus dem Osten. Bd. II China: Chinesische Lyrik. Wien: Phaidon-Verlag, 1929. p. 34f.
— in: Klabund. Dichtungen aus dem Osten. Bd. II: Chinesische Gedichte. Nachdichtungen. Wien: Phaidon-Verlag, 1954. p. 49.
Als ich ein Kind war, schien der Mond mir rundes Gold,
Das wie ein Spiegel leicht am Rand der Wolken rollt.
Drin zogen Geister groß mit Seidenfahnen,
Zimtbäume ließen Süßigkeiten ahnen,
Der gelbe Hase braute treffliche Getränke,
Der Mann im Mond saß bei ihm in der Schenke –
Bis einst der Drache Mond und Mann verschlang
Und Nacht wie dunkle Trauer niedersank.
Neun schlimme Vögel sind dabei, die Sterne aufzupicken.
Die Götter lagen traurig auf den Wolken, nicken
Und wiegen sich in sturmgepeitschten Böten.
Wer wird die schlimmen Vögel töten? –
Doch wenn der Mond von Nacht zu Nacht entschwand
Und endlich nur als schmaler Strich am Himmel stand,
War er ein Dolch, den ich mir in die Seite stieß,
Weil mich die Angst um dieses Leben nicht verließ.
— in: Klabund. Dichtungen aus dem Osten. Bd. II: Chinesische Gedichte. Nachdichtungen. Wien: Phaidon-Verlag, 1954. p. 49.
Erinnerungen Richard Wilhelm (1873–1930)
— in: Wilhelm, Richard. Chinesische Herbstlieder. Qingdao: ohne Verlag, 1918.
— in: Wilhelm, Richard. Chinesisch-Deutsche Jahres- und Tageszeiten. Lieder und Gesänge. Jena: Eugen Diederichs, 1922. p. 51.
Als Knabe kannte ich den Mond noch nicht.
Ich nannt' ihn eine weiße Marmorscheibe,
Ich meint', er sei ein glänzend heller Spiegel,
Der durch der blauen Wolken Säume flöge.
Auch sah ich wohl versteckt die Mondfee winken
Und sah des Cassiabaumes dichtes Laubwerk.
Der weiße Hase stieß im Mörser Kräuter
Des ew'gen Lebens. Wer sie wohl bekommt?
Dann kam die böse Kröte angekrochen
Und fraß die helle Scheibe tückisch auf. –
War einst ein Schütze, schoß neun Sonnenvögel,
Da war die Welt gereinigt und in Ruhe.
Doch dort die Frau im Mond betört dich nur. –
Laß ab, laß ab, und blicke nicht nach ihr! –
Warum doch schleicht sich leise dieses Sehnen
Ins Herze mir und füllt das Aug' mit Tränen?
— in: Wilhelm, Richard. Chinesisch-Deutsche Jahres- und Tageszeiten. Lieder und Gesänge. Jena: Eugen Diederichs, 1922. p. 51.