夜聞歌者
Bai Juyi 白居易 (772–846)
夜泊鸚鵡洲,江月秋澄澈。
鄰船有歌者,發詞堪愁絕。
歌罷繼以泣,泣聲通復咽。
尋聲見其人,有婦顏如雪。
獨倚帆檣立,娉婷十七八。
夜淚如真珠,雙雙墮明月。
借問誰家婦,歌泣何淒切。
一問一沾襟,低眉終不說。
Die Fremde Hans Bethge (1876–1946)
— in: Bethge, Hans. Die chinesische Flöte. Nachdichtungen chinesischer Lyrik. Leipzig: Insel Verlag, 1907. p. 54.
In einer Herbstnacht ankerten wir an der Insel
Der Papageien. Silbern leuchtete der Mond
Über dem Fluß, der rauschend durch das Dunkel zog.
Da hörten wir in einem nahen Schiff
Die Stimme eines Menschen, traurig wie der Tod.
Sie schwebte hin und weinte, weinte, weinte,
Wie wir es nie gehört, erlosch und schwieg.
Wir suchten nach dem Sänger, und wir fanden ihn.
Es war ein Weib. Aufschimmerte wie Schnee
Die Jugend ihrer Wangen. An den Mast gelehnt,
Hinreißend lieblich stand die Bleiche da,
Und Tränen rannen ihr im Mondlicht von
Den Wangen nieder, blinkend wie die Perlen,
Und unablässig, immer Tränen, Tränen.
Wir fragten sie, woher sie kam; warum
Ihr Lied so traurig sei; warum sie weine.
Wir fragten nochmals, und sie weinte wieder
Und neigte das Gesicht auf ihre Brust
Und sah uns nicht und sprach kein Wort zu uns –
Und Tränen rannen ihr im Mondlicht von
Den Wangen nieder, blinkend wie die Perlen...
Die Fremde (1905) Hans Heilmann (1859–1930)
— in: Heilmann, Hans. Chinesische Lyrik vom 12. Jahrhundert v. Chr. bis zur Gegenwart, Die Fruchtschale. München, Leipzig: R. Piper & Co., 1905. Vol. 1, p. 88-89.
In der Herbstnacht ankerten wir an der Insel der Papageien.
Über dem rauschenden Fluß leuchtete hell und rein der Mond.
Am Nachbarschiff hörten wir eine Stimme singen.
Weit hallten die Töne, todestraurig,
Dann erstickten sie, wurden zum Weinen,
Herzbrechenden Weinen, und erstarben.
Wir gingen der Stimme nach und fanden den Sänger.
Es war ein Weib, ihr Antlitz bleich wie Schnee.
Einsam stand sie an den Mastbaum gelehnt, Schön und lieblich anzusehn in ihrer Jugend Frische.
In der hellen Nacht blinkten ihre Tränen wie echte Perlen,
Paarweise tropfend im glänzenden Mondenschein.
Man fragte sie, woher sie stamme,
Warum ihr Gesang und Weinen so voll Weh ...
Man fragte nochmals ... und sie weinte wieder ...
Senkte die Augen und ... sprach kein Wort --