兵車行
Du Fu 杜甫 (712–770)
車轔轔,馬蕭蕭,行人弓箭各在腰。 耶孃妻子走相送,塵埃不見咸陽橋。 牽衣頓足闌道哭,哭聲直上干雲霄。 道傍過者問行人,行人但云點行頻。 或從十五北防河,便至四十西營田。 去時里正與裹頭,歸來頭白還戍邊。 邊亭流血成海水,武皇開邊意未已。 君不聞 漢家山東二百州,千村萬落生荆杞。 縱有健婦把鋤犂,禾生隴畝無東西。 況復秦兵耐苦戰,被驅不異犬與雞。 長者雖有問,役夫敢申恨。 且如今年冬,未休關西卒。 縣官急索租,租稅從何出? 信知生男惡,反是生女好。 生女猶是嫁比鄰,生男埋沒隨百草。 君不見青海頭,古來白骨無人收。 新鬼煩冤舊鬼哭,天陰雨濕聲啾啾。
Die Feldkolonne Max Fleischer (1880–1942)
— in: Fleischer, Max. Der Porzellanpavillon. Nachdichtungen chinesischer Lyrik. Berlin, Wien, Leipzig: Paul Zsolnay Verlag, 1927. p. 58-62.
Räder knirschen, Pferde schnaufen. Soldaten marschieren singend ins Feld, begleitet von Leuten, die mit ihnen laufen, vom Schreien und Kreischen der Weiber umgellt, von Staub umwirbelt, gemartert vom Weinen. Bräute und Frauen und Mütter gehn mit. Dem hängt ein Kind an mit trippelnden Beinen. Mit dem hält ein Weißbart mühsam Schritt. Greller gellt das Geschrei an der Brücke. Weiter darf keiner mit. – "Halt!" - "Alles–: Halt!" Am Weg hockt ein Einfuß, schultert die Krücke, kläglich in einen Knäuel geballt. Aufkreischen die Weiber. Die Kinder heulen wie Tiere. – "Vorwärts!" – "Weiber zurück!" Man drängt sich noch zwischen Soldaten und Gäulen "Mein Liebstes!" "Mein Alles!" "Mein einziges Glück!" "Vaterle!", "Bruder!" Sie könnens nicht fassen Fern schon und ferner sind Wagen und Roß. Auf Straße und Feldrain knien sie in Massen. Weiter wälzt sich dröhnend der Troß. Wandrer begegnen dem Zuge und stieren. Dann grüßen sie, winken und fragen viel. Die Antwort ist immer: "Marschieren, marschieren! Marschieren, marschieren! Wir kennen kein Ziel. Es sei denn, das Ziel ist: In blühenden Jahren verfaulen für nichts, ersticken in Schweiß. Mancher, der mitging mit pechschwarzen Haaren, heute ein Knabe, ist morgen schneeweiß. Bartlos, mit fröhlichen Liedern zogen wir aus. Bald ist jeder ein winselnder Schelm. Wir wissen nur Eines. Man hat uns belogen. Wie schwer ist der Panzer! Wie drückt uns der Helm! Man sagte: es geht um das Dorf, um die Kleinen, um unsere Weiber, um Haus, Hof und Brot. Man sagte: Die Sonne wird wieder scheinen! Man sagte uns nicht: Der Tod ist der Tod. Man redete nicht von zerschmetterten Rümpfen, Von erloschenem Aug, von verquollenem Blut, von gespaltenen Schädeln, von zuckenden Stümpfen. Man kränzte die leuchtende Stirn und den Hut. Was lockte, was lockte man uns mit der Lüge, daß dieses Morden ein heiliger Krieg? Laßt uns nach Haus! Den Fraun sind die Pflüge schwer schon. Wucherndes Unkraut stieg über die Zäune und Gitter und Raine. Gestrüpp frißt den Acker. Die Hütte verfällt. Der Krieg rast, ein hungriger Wolf, durch die Haine und bleckt seine Zähne und bellt und bellt. Nicht einen winzigen Deut gilt seine Seele. Ein Huhn, ein Hund, ein Hase, ein Hecht soviel wie ein Mann? Mir schnürt es die Kehle! Marschiere, marschiere, verspieltes Geschlecht!" So redet die Marschkolonne. So reden die Reiter, so redet das Fußvolk auch. Der Aufruhr erstickt; denn sie hängen jeden; die Leichen baumeln um Ast und Strauch. Doch immer wieder frißt sich die Welle der grellen Empörung durch schlotternde Angst. Schon sagen sie: Gleich ist es, ob auf der Stelle du tot bist, ob du erst morgen hangst oder, verstümmelt vom Feind, auf die Reise gehst in das Land, dem noch keiner entrann. Oft nahn dem ringelnden Heerwurm Greise. "Greise?" Was schiert es verlorenen Mann? Wohl ist es Pflicht, sein Wort zu verhalten, wenn uns ein Alter begegnet und klug, alles zu meiden, was einen Alten stören könnte; doch dieser Betrug, Väterchen, glaub mir, ist nicht zu ertragen! Nicht einmal Winters ruhen wir aus. Wir müssen jagen, auf Menschen jagen und drüben treibt man die Unsern vom Haus. Ärmste, dies Kind an der Brust, ist's ein Knabe? – "Ein Sohn!" – O du arme, betrogene Frau! Zieh ihn nur auf und labe dich, labe, lab dich an ihm! Einst – wie eine Sau sticht man dein Kind ab! Ihm ist es beschieden, Unkraut zu sein in dem Menschengefild! Kaiser, was säumst du? Kaiser, mach Frieden, daß man dich Totengräber nicht schilt! Komm an das Meer! Es funkelt in Bläue, doch an der Küste bleicht unser Gebein, das keine Kindeshand sammelt in Treue, ihm die gebührenden Opfer zu weihn. Komm an das Meer! Am blauen Gestade wimmern Verstümmelte. Komm! Ihr Geächz prasselt wie Regen. Komm, Kaiser, und bade in unserem Blut dich! Hör das Gekrächz der Raben, die in den Lüften schon lauern, gierig zu haun in entblößtes Gehirn! Schau und geh heim! Laß sterben die Bauern! Küß des Knaben traumgoldene Stirn!
In den Krieg Alfred Forke (1867–1944)
— in: Forke, Alfred. Dichtungen der Tang- und Sung-Zeit, Veröffentlichungen des Seminars für Sprache und Kultur Chinas an der Hamburgischen Universität. Hamburg: Friederichsen, de Gruyter & Co., 1929. p. 68f.
"Ding, Ding" rollen schwer die Wagen, Und es wiehern laut die Rosse; In dem Gürtel Pfeil und Bogen, Krieger zieh'n im großen Trosse. Väter, Mütter, Frauen, Kinder Eine Strecke mitmarschieren, Und es scheint die Hsien-yang Brücke Ganz im Staub sich zu verlieren. An die Kleider sie sich hängen, Schluchzend Krieger Knie' umklammern, Bis zum schwarz bewölkten Himmel Dringt ihr Weinen und ihr Jammern. Nach dem Ziel des Marsches fragen Leute, die des Weges kommen. "Alle sind wir ausgehoben", Wird als Antwort stets vernommen. Schon mit fünfzehn Jahren müssen Sie den Norddeich schützen wacker, Wenn schon vierzig sie geworden, Noch im Westen bau'n den Acker. Bei dem Ausmarsch hat der Dorfschulz Überreicht das Kopfband ihnen. Heimgekehrt mit weißen Haaren Soll'n sie noch als Grenzwacht dienen. Bei den Grenzstationen fließet Manches Blut und steht in Lachen, Dennoch will der Kriegerkaiser Nicht dem Kampf ein Ende machen. Hört man nicht, daß hundert Leise, Tausend Weiler, Dörfer, Flecken In dem Han Land Schantung jetzo Unkraut nur und Disteln decken? Pflug und Hacke hat die starke Gattin in die Hand genommen, Doch es stehen wirr die Staaten, Denn die Deiche sind verkommen. All des Krieges Elend haben Die Soldaten zu ertragen, Wie die Hunde und die Hühner Pflegt man sie umherzujagen. Fragt sie auch der Vorgesetzte, Was sie hätten auf dem Herzen, Wagen doch die Krieger nimmer Ihm zu künden ihre Schmerzen. Um den Grenzwall kämpft man weiter, Wenn es auch schon Winter heuer. Dringend heischt der Büttel Grundzoll, Doch woher nimmt man die Steuer? Knaben haben, das erkennt man, Nur ein schweres Mißgeschick ist; Während die Geburt der Tochter Für die Eltern noch ein Glück ist. Auf die Tochter schon des Hauses Nachbar als der Freier harret, Doch der Sohn ist bald verdorben, Wird im Rasen still verscharret. Rings des "Blauen Sees" Ufer Sieht man starren von Skeletten, Die dort lang schon ruht, denn niemand Denkt, in Erde sie zu betten. Neue Schatten hört man jammern Und die alten Geister stöhnen, Durch die Nacht und durch den Regen Ihren Klageruf ertönen.
Der Auszug der Krieger Hans Heilmann (1859–1930)
— in: Heilmann, Hans. Chinesische Lyrik vom 12. Jahrhundert v. Chr. bis zur Gegenwart, Die Fruchtschale. München, Leipzig: R. Piper & Co., 1905. Vol. 1, p. 58-60.
Räder knirschen, Pferde schnaufen; Soldaten marschieren mit Pfeil und Bogen. Väter und Mütter, Frauen und Kinder geben ihnen das Geleit, wirr durch die Reihen laufend. Dicht wirbelt der Staub, sie kommen zur Hien-nang-Brücke und sehen sie nicht; Sie heften sich an die Kleider der scheidenden, wie um sie zurückzuhalten, sie zittern und weinen, Und ihr Stöhnen und Klagen erhebt sich bis zu den Wolken. Die Wanderer, denen ihr Zug begegnet, treten zur Seite des Wegs und befragen die Krieger. Die haben nur eine Antwort: wir müssen marschieren, immer marschieren! Manche von ihnen waren noch Knaben, als sie zur Nordgrenze zogen, Jetzt, da sie Männer sind, werden sie Krieg an der Westgrenze führen. Als sie die Heimat verließen, drückte der Helm ihre bartlosen Häupter, Grauhaarig kehrten sie wieder, doch nur um aufs neue zu scheiden. Unersättlich in seinen Eroberungsgelüsten Hört der Kaiser nicht den Schrei seines Volkes. Umsonst nahmen wackere Frauen Pflug und Hacke zur Hand, Überall haben Dornen und Gestrüpp von den verwahrlosten Feldern Besitz ergriffen. Und der Krieg wütet immer, und das Schlachten endet nimmer, Und das Leben der Menschen gilt nicht mehr als das Leben der Hühner und Hunde. Ehrwürdige Greise befinden sich unter den Fragern, Und dennoch scheuen die Krieger sich nicht, ihrer Empörung in heftigen Worten Luft zu machen. Nicht einmal der Winter, sagen sie, bringt uns kurze Waffenruhe, Und hier von unseren Familien treibt man Steuern ein; doch diese Steuer, wovon sie zahlen? Sind wir nicht schon dahin gekommen, die Geburt eines Sohnes für ein Unglück zu halten Und uns zu freuen, wenn eine Tochter das Licht der Welt erblickt? Das Mädchen kann doch einen Gatten finden unter den Nachbarn, Dem Knaben ist ein früher Tod beschieden, er geht zugrunde wie das Unkraut, das der Pflug zerstört und auch begräbt. O Kaiser, sähest du die Ufer des blauen Meeres von Ku-ku-noor, Wo die Totengebeine bleichen, die seine fromme Hand gesammelt, Wo die Geister der jüngst Gefallenen den Geistern längst begrabener Toten mit ihren Klagen die heilige Ruhe stören. Trüb ist der Tag und eisig der Regen an jenem grausigen Gestade, und Ächzen und Wimmern hörst du von allen Seiten.
Ausmarsch Klabund (1890–1928)
— in: Klabund. Dumpfe Trommel und berauschtes Gong. Nachdichtungen chinesischer Kriegslyrik von Klabund, Insel Bücherei. Leipzig: Insel Verlag, 1915. p. 12f.
— in: Klabund. Dichtungen aus dem Osten. Bd. II China: Chinesische Lyrik. Wien: Phaidon-Verlag, 1929. p. 68-70.
— in: Klabund. Dumpfe Trommel und berauschtes Gong, Insel Bücherei. Wiesbaden: Insel Verlag, 1952.
— in: Görsch, Horst. China erzählt. Ein Einblick in die chinesische Literatur. Berlin: Volk und Wissen volkseigener Verlag Berlin, 1953. p. 165f.
— in: Klabund. Dichtungen aus dem Osten. Bd. II: Chinesische Gedichte. Nachdichtungen. Wien: Phaidon-Verlag, 1954. p. 102f.
— in: Fassmann, Kurt. Gedichte gegen den Krieg. München: Kindler Verlag, 1961. p. 34f.
Die Pferde schnauben, die Karren schrein, Soldaten marschieren mit Pfeil und Bogen. Väter, Mütter, Frauen, Kinder laufen zwischen ihren Reihn. In einer dichten Staubwolke sind sie über die Brücke gezogen. Sie zerren zitternd an den Kleidern der Soldaten, streicheln einzeln alle ihre Glieder. Der Frauen Jammer steigt wie Nebel auf und regnet nieder. Leute begegnen ihnen: Woher? Wohin? Wozu? Was ist aus euch geworden? Die Soldaten knirschen: Immer marsch ... auf den Marsch ... Als wir fünfzehn Jahr alt waren, zogen wir nach Norden. Aber jetzt heißt's: Marsch nach Westen .. immer marsch ... Als man uns (einst) einberief, die schwarze Gaze unser junges Haupt umwand. Ach, mit weißem Haupte kehrten wir zurück – und werden nun von neuem in die Schlacht gesandt. Unersättlich ist des Kaisers Hunger nach der Macht der Welt. Vor seiner Stirn verdampft des Volkes Odem. Vergebens pflügen unsre Frauen das Feld. Dornsträuche wuchern auf dem dürren Boden. Wie fressend Feuer glüht der Krieg. Es blutet Tag und Stunde. Der Menschen Leben gilt nicht mehr als das der Tauben oder Hunde. Wer neigt sich noch in Ehrfurcht einem Greise zu? Soll ich des Leides immer mehr mit meinem Pinsel malen? Nicht mal der Winter bringt den Waffen Ruh, Und unsre Eltern müssen Steuern zahlen ... Wenn unsre Frauen Kinder einst gebären: O daß es keine Knaben wären! Denn eine Tochter gibt man seinem Nachbarn als ein leeres Gefäß zur Eh'. Ein Sohn verwest im Kriege, unbegraben ... Kaiser, sahst du im Traum den Strand des Ku-ku-noor-Meeres, Wo die verstreuten Gebeine keine Ruhe haben? Wo die jungen Toten die alten Toten mit ihren Schreien stören? Himmel hängt düster, Regen sprüht kalt, Jammer rinnt vom Gestein ins Meer aus tausend Röhren.