柏舟 "汎彼柏舟,亦汎其流"
Anonymous (Shijing)
汎彼柏舟,亦汎其流。 耿耿不寐,如有隱憂。 微我無酒,以敖以遊。 我心匪鑒,不可以茹。 亦有兄弟,不可以據。 薄言往愬,逢彼之怒。 我心匪石,不可轉也。 我心匪席,不可卷也。 威儀棣棣,不可選也。 憂心悄悄,慍于羣小。 覯閔既多,受侮不少。 靜言思之,寤辟有摽。 日居月諸,胡迭而微。 心之憂矣,如匪澣衣。 靜言思之,不能奮飛。
Die ungeliebte Gattin 1. "Der Kahn schwankt auf dem Wasser" Johann Cramer
— in: Cramer, Johann (ed.). Schi-King, oder Chinesische Lieder, gesammelt von Confucius. Neu und frei nach A. La Charme's lateinischer Übersetzung bearbeitet. Fürs deutsche Volk hg. von Johann Cramer, Das himmlische Reich. Oder China's Leben, Denken, Dichten und Geschichte, 4 vols. Crefeld: Verlag der J. H. Funcke'schen Buchhandlung, 1844. p. 18f.
Der Kahn schwankt auf dem Wasser Nicht wie er will, Wie ihn die Fluthen treiben, Bald rasch, bald still. So treibt mich auch der Mann, Der mich nicht liebt, Und den ich lieben soll. Den Brüdern möcht' ich's klagen: Mein Mann mich quält; Die Brüder werden sagen: Er hat dich gewählt. Von Brüdern und Aeltern fern Ich nur den Mann, Nicht den Freund, mir gewann. Nicht gleich ich einem Spiegel Hell anzuschaun, Und auch nicht einem Steine Nach Willkür gewälzt, Nicht einem Teppich auf- und zugerollt, Ich leb' der Pflicht, Zu Dank ihm nicht. Die armen Frauen beklag' ich, Nicht mich allein, Wenn Lieb' nicht Liebe redet, O harte Pein! Verschmäht, gekränkt, so fühl' ich stets Erwachend Schmerz, Im Schlaf ein wundes Herz. Es wechseln Mond und Sonne In Silber und Gold, Mir bleibt nur Leid, nicht Wonne Nur einmal hold. Ich seufz' und seufze immerdar, Verschweb' doch nicht als Hauch, Nicht als Rauch.
Es schaukelt der Zypressenkahn Elisabeth Oehler-Heimerdinger (1884–1955)
— in: Oehler-Heimerdinger, Elisabeth. Das Frauenherz. Chinesische Lieder aus drei Jahrtausenden. Leipzig: Union Deutsche Verlagsgesellschaft, 1925. p. 41f.
Es schaukelt der Zypressenkahn, Er treibt auf hoher See. Unrast und Trauer fällt mich an, Und heimlich trag ich Weh. Nicht daß ich süßen Weins entbehre, Der mir zur Tröstung wäre. Mein Herz ist nicht dem Spiegel gleich, Der jedes Bild erträgt. Und bin ich auch an Brüdern reich, Sie bleiben unbewegt. Und will mein Leid ich ihnen klagen, Muß ihren Zorn ich tragen. Mein Herz gleicht nicht dem harten Stein, Den hin und her man stößt. Mein Herz gleicht nicht der Matte fein, Die leicht sich rollen läßt. Ich hab gelebt in Ehr und Züchten, Und keiner kann mich richten. Mein armes Herz ist ganz verstört, Viel Haß und Neid mich stach, Viel Unglück hat mich schon beschwert Und manche bittre Schmach. In stillen Nächsten ohne Schlummer Verzehret mich der Kummer. Die Sonn ward wie des Mondes Strahl, Der abnimmt mit der Zeit. Mein armes Herz ist voller Qual Wie ein beschmutztes Kleid. Ach, denk ich, könnt ich Flügel breiten Und fliehn in ferne Welten!
Klage einer ungeliebten Gattin, 1. "Auf dem Wasser schwankt der Nachen" Friedrich Rückert (1788–1866)
— in: Rückert, Friedrich. Schi-king. Chinesisches Liederbuch. Altona: J. F. Hammerich, 1833. p. 32-34.
— in: Oehlke, Waldemar. Chinesische Lyrik und Sprichwörter. Bremen-Horn: Walter Dorn-Verlag, 1952. p. 17.
— in: Mehlig, Johannes (ed.). Stimmen des Orients: Arabische, persische, indische und chinesische Dichtungen. Leipzig: Insel-Verlag, 1965. p. 242-244.
Auf dem Wasser schwankt der Nachen, geht nicht wie und wo er will, Sondern wie es treibt den schwachen, Folget er und seufzet still. Also fühl' ich mich getrieben Von dem Manne, den ich lieben Muß, wiewol er kund mir giebt, Daß er selber mich nicht liebt. Soll ich's meinen Brüdern klagen, Wie der Gatte mich verletzt? Meine Brüder werden sagen: Deines Gatten bist du jetzt. Ach, den Brüdern ist entrissen Und die Eltern muß vermissen Eine arme, die den Mann, Nicht den Freund in ihm, gewann. Mein Gemüth ist nicht ein Spiegel offen lachend in den Tag, Noch ein Stein, den man vom Hügel Wälzen kann wohin man mag, Noch ein Teppich, nach Behagen Auf und wieder zu zu schlagen; Nach der Richtschnur strenger Pflicht Leb' ich, nur zu Dank ihm nicht. Um das Loos der armen Frauen Klag' ich, nicht um meines blos. Auf ein lieblos Herz zu bauen Herzenslieb', o hartes Loos! Die verschmähte, die gekränkte, Schweigend in sich selbsr gesenkte, Fühlt erwachend ihren Schmerz, Und im Schlaf ihr wundes Herz. Leuchtend wechseln Mond und Sonne Golden silbernes Geschmeid, Doch mein Gram mit keiner Wonne Wechselnd, wechselt nur mit Leid. Seh' ich gleich in Seufzerhauchen Ganz das Leben mir verrauchen, Wird es doch so leicht kein Duft, Zu verschwimmen in der Luft.
Seufzer Adolph Schulze , Jitong Chen (1851–1907)
— in: Rheden, Peter (ed.). Chinesisch-deutsche Gedichte. Eine Zusammenstellung aus verschiedenen Quellen. Zweiter Teil: Zweites ausführliches Literaturverzeichnis – Mit Zitaten zu den Kapiteln: Chinesische Poesie, Literatur, Kultur, Gymnasial-Programm-Abhandlung aus dem XXIX. Jahresbericht des f.b. Vinzentinums in Brixen, Südtirol. Brixen: Verlag des f. b. Vinzentinums, 1904. p. 40f.
Ich stieg in die Barke von Tannenholz Und ließ mich von der Strömung treiben. Ich kann bei Nacht kein Auge schließen: Mein Herz scheint von geheimem Kummer erfüllt. Mein Herz ist kein Spiegel, In dem ich sehen könnte, was es leidet; Und meine Brüder, die keine Stütze für mich sind, Werden böse, wenn ich von Traurigkeit spreche. Mein Herz gleicht nicht einem Steine, Den man noch schleifen kann, Es ist nicht wie ein Vorhang, Den man beliebig auf- und abrollt. Es ist voll Gradheit und Rechtschaffenheit; Ich kann es selbst nicht lenken. Wie groß ist meine Traurigkeit! Fast alle sind eifersüchtig auf mich; Zahlreiche Verleumdungen stürmen auf mich ein Und auch der Spott verschont mich nicht. Was hab' ich denn nur getan? Ich kann die Hand aufs Herz legen. Die Sonne strahlt beständig, Aber der Mond nimmt täglich ab; Warum sind die Rollen gewechselt? Mein Herz ist wie betäubt, Ähnlich dem Zeug, das man nicht bleichen kann. O, wenn ich sinne in der Einsamkeit, Dann bedaure ich, nicht davonfliegen zu können.
Unverdiente Zurücksetzung und Kränkung Victor von Strauß (1809–1899)
Da schwimmet der Zypressenkahn, Und schwimmet seine Wogenbahn. So treibt mich's ohne Ruh' und Schlaf, Wie wen da nagt des Schmerzes Zahn. Nicht, weil mir Wein wär' abgethan, Daß ich lustwandle sonder Plan. Kein bloßer Spiegel ist mein Herz, Aufnehmen kann es nicht allein. Und hab' ich ja der Brüder auch, Das kann mir keine Stütze sein. Komm' ich und klage meine Pein, So fährt ihr Zorn auf mich herein. Mein Herz ist nicht ein Stein der Flur, Den hin und her man trollen kann; Mein Herz ist keine Matte nur, Die auf und zu man rollen kann; Stets übt' ich Ehrbarkeit und Zucht, Nichts, dem man Tadel zollen kann. Nur Grams ist sich mein Herz bewußt, Mich haßt die Schaar voll niedrer Luft; Daß ich der Kränkung viel schon sehn, Der Schmach nicht wenig tragen mußt'. Stillschweigend sinn' ich drüber nach, Wach' auf – und schlag' an meine Brust. O Sonne du, und du, o Mond, Habt ihr das Wechseln umgegeben? Ach meines Herzens bittres Leid Ist ungewaschnen Kleidern eben. Stillschweigend sinn' ich drüber nach, Und – Flügel kann ich nicht erheben.