烏夜啼“黃雲城邊烏欲棲”
Li Bai 李白 (701–762)
黃雲城邊鳥欲棲,歸飛啞啞枝上啼。
機中織錦秦川女,碧紗如煙隔窗語。
停梭悵然憶遠人,獨宿孤房淚如雨。
Die sehnsuchtsvolle Gattin Hans Bethge (1876–1946)
— in: Bethge, Hans. Pfirsichblüten aus China. Berlin: Ernst Rowohlt Verlag, 1923. p. 29.
Im drischen Wind des Abends tönt der Sang
Der kleinen Vögel aus den Blütenzweigen, –
Sie singen selig, sie sind froh vereint.
Hinter dem Gitter ihres Fensters sitzt
Ein junges Weib. Sie stickt auf seidnem Stoffe
Die schönsten Blumen für den fernen Gatten.
Sie hebt das Haupt und läßt die Arme sinken,
Ihr Denken ist bei ihm, der nun so lange
Schon fern ist, und sie flüstert vor sich hin:
"Die Vögel finden sich im Laubwerk wieder, –
Die Tränen eines jungen Weibes aber,
Sie rufen den Geliebten nicht zurück!"
Sie hebt die müden Arme aus dem Schoß
Und beugt das Haupt auf ihre Arbeit nieder,
Und wieder flüstert sie, mit feuchtem Aug:
"Nun will ich kleine Liebesverse zwischen
Die Blumen sticken, – ach, vielleicht, daß sie
Ihn mahnen, daß er heimkehrt an mein Herz!"
Gesang der Vöglein am Abend Gottfried Böhm (1845–1926)
— in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 13f.
Es wiegen auf schwanken Zweigen
Sich Vöglein im frischen Wind,
Sie singen und schmettern Lieder,
Die fröhlich, gar fröhlich sind! –
Dort hinter dem Gitterfenster
Sitzt strickend die junge Frau,
Sie hört die Vöglein sich rufen
Und singen im Blätterbau.
Das Haupt erhebt sie träumend,
Hernieder sinkt die Hand –
Fort sind die Gedanken gezogen,
Zu ihm – in's ferne Land.
Die Vöglein können sich wieder
Bald finden im Blätterbau, –
Wohl fallen die Thränen nieder
Vom Auge der jungen Frau.
Wohl fallen sie hernieder
Wie Regentropfen schwer –
Doch rufen sie den Geliebten
Aus fernem Land nicht her.
Und aufwärts erhebt sie die Hände
Und nieder sinkt ihr das Haupt
Zum Rahmen, wo sie Blumen
Mit grüner Seide belaubt:
"Ich will ein Lied ihm sticken
In's Kleid, das ich ihm bescheer'
– Vielleicht, daß die Lettern ihm sagen:
Daß endlich er wiederkehr!" –
Der Rabe Alfred Forke (1867–1944)
— in: Forke, Alfred. Blüthen chinesischer Dichtung. Magdeburg: Commissionsverlag: Faber'sche Buchdruckerei, A. & R. Faber, 1899.
— in: Forke, Alfred. Dichtungen der Tang- und Sung-Zeit, Veröffentlichungen des Seminars für Sprache und Kultur Chinas an der Hamburgischen Universität. Hamburg: Friederichsen, de Gruyter & Co., 1929. p. 55.
Wo am Ende der Stadt sich der Staub erhebt,
Zu gelben Wolken geballet,
Heimkehrend zum Horste ein Rabe schwebt:
"Kra, kra" von den Zweigen es schallet.
Am Webstuhl webt ein Brokatgewand
Dort eine Tch'in-tchuan Schöne;
Ein grüner Flor vor das Fenster gespannt,
Wie ein Nebel dämpfet die Töne.
Sie hält's Schifflein an bei des Raben Schrei'n,
Denkt des fernen Gemahls mit Sehnen;
Im öden Zimmer ruht nachts sie allein
Und weint die bittersten Tränen.
— in: Forke, Alfred. Dichtungen der Tang- und Sung-Zeit, Veröffentlichungen des Seminars für Sprache und Kultur Chinas an der Hamburgischen Universität. Hamburg: Friederichsen, de Gruyter & Co., 1929. p. 55.
Die Raben krächzen Vincenz Hundhausen (1878–1955)
— in: Hundhausen, Vincenz. Chinesische Dichter des dritten bis elften Jahrhunderts. In deutscher Nachdichtung von Vincenz Hundhausen. Eisenach: Erich Röth-Verlag, 1926. p. 71.
— in: Hundhausen, Vincenz. Chinesische Dichter in deutscher Sprache. Peking, Leipzig: Pekinger Verlag, 1926. p. 71.
Gelbe Wolken drohen,
Und die Raben flohen
Ihren Bäumen zu.
Durch des Abends Schweigen
Tönt es ohne Ruh
"Jah, Jah" aus den Zweigen.
Einsam weht zum Kleide
Eine Frau die Seide,
Und sie blickt hinaus;
Sieht das Nachtgefieder
Dunkel um das Haus
Flackern auf und nieder.
Stimmen hört sie klingen
Aus dem Chor. Sie dringen
Klagend an ihr Herz.
In die schmalen Hände
Weint der Sehnsuchtsschmerz
Tränen ohne Ende.
— in: Hundhausen, Vincenz. Chinesische Dichter in deutscher Sprache. Peking, Leipzig: Pekinger Verlag, 1926. p. 71.
Schreie der Raben Klabund (1890–1928)
— in: Klabund. Dumpfe Trommel und berauschtes Gong. Nachdichtungen chinesischer Kriegslyrik von Klabund, Insel Bücherei. Leipzig: Insel Verlag, 1915. p. 29.
— in: Klabund. Dichtungen aus dem Osten. Bd. II China: Chinesische Lyrik. Wien: Phaidon-Verlag, 1929. p. 57f.
— in: Klabund. Dumpfe Trommel und berauschtes Gong, Insel Bücherei. Wiesbaden: Insel Verlag, 1952.
— in: Klabund. Dichtungen aus dem Osten. Bd. II: Chinesische Gedichte. Nachdichtungen. Wien: Phaidon-Verlag, 1954. p. 84.
Vor der Stadt, die sommerlich im gelben Staube wirbelt,
Rasten Raben abends auf den Bäumen, krächzen, schaukeln.
Junge Frau des Kriegers, die an seidnen Fäden zwirbelt,
Hört die Raben schrein und sieht, wie auf den Fenstervorhang müde sich die abendroten Strahlen legen.
Ihre Nadel sinkt; sie denkt an ihn, den ihre Wünsche wild umgaukeln.
Schweigend sucht und einsam sie ihr Bett, und ihre Tränen fallen heiß wie Sommerregen.
— in: Klabund. Dichtungen aus dem Osten. Bd. II China: Chinesische Lyrik. Wien: Phaidon-Verlag, 1929. p. 57f.
— in: Klabund. Dumpfe Trommel und berauschtes Gong, Insel Bücherei. Wiesbaden: Insel Verlag, 1952.
— in: Klabund. Dichtungen aus dem Osten. Bd. II: Chinesische Gedichte. Nachdichtungen. Wien: Phaidon-Verlag, 1954. p. 84.
Beim Rabenschrei Elisabeth Oehler-Heimerdinger (1884–1955)
— in: Oehler-Heimerdinger, Elisabeth. Das Frauenherz. Chinesische Lieder aus drei Jahrtausenden. Leipzig: Union Deutsche Verlagsgesellschaft, 1925. p. 67.
Gelbe Wolken verwehen,
Und der Rabe macht Rast.
Schon flog er zum Neste,
“Rab rab” ruft's vom Ast.
Am Webstuhl wirkt Seide
Von Tsitschon das Kind,
Wie Rauch wallt der Vorhang,
Der grüne, im Wind.
Durchs offene Fenster
Hört das Schreien sie nun,
Da läßt sie laut seufzend
Ihr Webschifflein ruhn
Und denkt an den Gatten
Im leeren Gemach;
Die rinnenden Tränen
Erhalten sie wach.