行行遊且獵篇
Li Bai 李白 (701–762)
邊城兒,生年不讀一字書。
但將遊獵誇輕趫,胡馬秋肥宜白草。
騎來躡影何矜驕,金鞭拂雪揮鳴鞘。
半酣呼鷹出遠郊,弓彎滿月不虛發。
雙鶬迸落連飛髇,海邊觀者皆辟易。
猛氣英風振沙磧,儒生不及遊俠人。
白首下帷復何益。
Der Kühne Jäger zu Pferde Hans Bethge (1876–1946)
— in: Bethge, Hans. Pfirsichblüten aus China. Berlin: Ernst Rowohlt Verlag, 1923. p. 30f.
Der kühne Jäger, der im Grenzland wohnt,
Nimmt nie ein Buch in seine Hand. Doch weiß er
Auf Jagd zu reiten, mutig und voll Kraft!
Sein Roß ist üppig, denn das Gras der Steppen
Gibt wundervolle Nahrung; ungestüm
Erbraust sein Hufschlag durch das Wilde Land.
So hurtig geht die Jagd, daß kaum der Schatten
Von Roß und Reiter folgen kann. Wie herrisch
Und stolz das heiße Aug des Jägers blickt!
In goldner Scheide er eine Peitsche;
Schwingt er sie durch die Luft, so rührt die Spitze
Der Leine an den frisch gefallnen Schnee.
Der Wein, den er genießt, ist voller Feuer;
Hat er getrunken, lockt er seinen Falken
Und eilt mit ihm in Wald und Flur hinaus.
Sein Bogen, von gewaltiger Kraft gespannt,
Trifft nie ins Leere. Manchmal fallen gar
Zwei Vögel, von dem gleichen Pfeil durchbohrt.
Kommt er zur Küste, treten alle Männer
Vor ihm beiseite; denn sein wildes Wesen
Und seinen Ingrimm fürchtet alle Welt.
Welch Gegensatz bei uns! Gelehrte Männer
Hocken ihr Lebenlang in dumpfen Zimmern,
Und ihre Haare bleichen über Büchern,
Und draußen lacht die Welt, – sie spüren's nicht.
Der Jäger Alfred Forke (1867–1944)
— in: Forke, Alfred. Blüthen chinesischer Dichtung. Magdeburg: Commissionsverlag: Faber'sche Buchdruckerei, A. & R. Faber, 1899. p. 40f.
Nie hält der Grenzstadt Sprosse
Im Leben ein Buch in der Hand;
Doch auf der Jagd zu Rosse,
Da ist er flink und gewandt.
Dem Roß kommt der Herbst zu statten,
Es nährt sich vom Gras der Prärien.
Wenn sein Huf im Galopp stampft den Schatten,
Wie reitet er stolz dahin!
Mit güld'ner Peitsche streift er
Den Schnee; es knappt die Schnur.
Halb trunken dem Falken pfeift er
Und führt ihn auf die Flur.
Umsonst nicht den Bogen er schießet,
Den mondrund gekrümmten, ab:
Auf einen Pfeil gespießet
Zwei Kraniche sinken herab.
Wenn Leute am Meeresstrande
Ihn sehen, geben sie Raum.
Sein Ruhm durcheilt alle Lande,
Bis an der Gobi Saum.
Nie kommen die Doktoren
Dem kühnen Jäger gleich.
Weshalb sich in Bücher verbohren,
Wenn schon das Haar wird bleich!
Jagdritt Otto Hauser (1876–1944)
— in: Brandes, Georg. Die chinesische Dichtung von Otto Hauser. Mit 9 Vollbildern in Tonätzung. Berlin W.: Marquardt Co., Verl.-Anst. G.m.b.H., 1905. p. 37.
Der Grenzer, seht ihn an!
Sein ganzes Leben Jahr für Jahr nimmt er kein Buch zur Hand,
Er weiß nur, wie man jagen geht; da reitet er gewandt.
Sein Roß, im Herbste wird es fett, ihm frommt das weiße Gras,
Der Schatten fliegt vor seinem Huf; wer ist, der stolzer saß?
Die goldne Peitsche schlägt den Schnee, die Scheide klirrt am Knauf,
Halbtrunken ruft dem Falken er; so geht es fort im Lauf.
Sein Bogen wird vergebens nie gespannt zum Mondenrund,
Zwei Kraniche fallen oft zugleich mit seinem Pfeil zum Grund.
Am Strand des Meeres, wer ihn sieht, weicht allsogleich zurück,
Selbst in der Wüste Gobi gilt sein Mut, sein Kriegerglück.
Wie anders als die Weisen hier lebt dieser freie Mann!
Weißhaarig hinterm Vorhang noch! Und das wozu, sagt an?!
Zu Roß, zu Roß, zur Jagd! Hans Heilmann (1859–1930)
— in: Heilmann, Hans. Chinesische Lyrik vom 12. Jahrhundert v. Chr. bis zur Gegenwart, Die Fruchtschale. München, Leipzig: R. Piper & Co., 1905. p. 37f.
Der wackre Sohn des Grenzlandes
Nimmt sein Leben lang kein Buch zur Hand;
Doch er ist ein Jäger, behende, stark und kühn.
Sein Renner strotzt vor Kraft, das üppige Steppengras im Herbste bietet ihm starke Kost;
Wie jagt er auf ihm dahin mit Windeseile, der eigene Schatten kann ihm nicht folgen! Wie stolz und herrlich blickt er drein!
Seine knallende Peitsche berührt den Schnee, oder sie ruht in ihrer goldenen Scheide.
Nach einem Trunke feurigen Weins ruft er seinen Falken und zieht in Wald und Feld hinaus.
Wenn sein Bogen, mit Macht gespannt, sich rundet, trifft er nie ins Leere.
Oft fallen zwei Vögel zugleich von einem Pfeil durchbohrt.
Kommt er zur Küste, wagt keiner ihm in den Weg zu treten,
Seine Kraft und sein streitbarer Zorn sind bekannt bis in die Wüste Gobi.
Wie anders dieser Hieh-k-ho als unsere gelehrten Stubenhocker,
Die über den Büchern grau werden hinter ängstlich geschlossenen Fenstern
In unfruchtbarer Mühe!
Der wilde Jäger Klabund (1890–1928)
— in: Klabund. Das Blumenschiff. Berlin: Erich Reiss Verlag, 1921. p. 63.
— in: Klabund. Dichtungen aus dem Osten. Bd. II China: Chinesische Lyrik. Wien: Phaidon-Verlag, 1929. p. 24.
— in: Klabund. Dichtungen aus dem Osten. Bd. II: Chinesische Gedichte. Nachdichtungen. Wien: Phaidon-Verlag, 1954. p. 29.
Das ist der kühne Jäger,
Den Falken auf der Faust jagt er durchs Feld.
Wir sind der Weisheit bedächtige Heger,
Er ist die wilde Welt,
Die wahre Welt.
Er galoppiert über die Steppe,
Sein Schatten folgt ihm fast zu spät.
Er tritt dem Fürsten auf die Mantelschleppe.
Was tut's? Er ist die Majestät,
Die wahre Majestät.
Zwei Kraniche erlegt er mit einem Schuß.
Der Gelehrte hockt hinter verschlossenem Fenster, vergreist und grau.
Aber seine Gattin sendet dem wilden Jäger einen Kuß.
Ihn liebt die schöne junge Frau,
Die wahre Frau.
— in: Klabund. Dichtungen aus dem Osten. Bd. II China: Chinesische Lyrik. Wien: Phaidon-Verlag, 1929. p. 24.
— in: Klabund. Dichtungen aus dem Osten. Bd. II: Chinesische Gedichte. Nachdichtungen. Wien: Phaidon-Verlag, 1954. p. 29.
No title ("In seinem ganzen Leben öffnet er nicht ein einziges Buch") Adolph Schulze , Jitong Chen (1851–1907)
— in: Rheden, Peter (ed.). Chinesisch-deutsche Gedichte. Eine Zusammenstellung aus verschiedenen Quellen. Zweiter Teil: Zweites ausführliches Literaturverzeichnis – Mit Zitaten zu den Kapiteln: Chinesische Poesie, Literatur, Kultur, Gymnasial-Programm-Abhandlung aus dem XXIX. Jahresbericht des f.b. Vinzentinums in Brixen, Südtirol. Brixen: Verlag des f. b. Vinzentinums, 1904. p. 48.
In seinem ganzen Leben öffnet er nicht ein einziges Buch,
Aber er versteht sich auf die Jagd.
Er ist geschickt, stark und mutig.
Wenn er galoppiert, wirft er keinen Schatten.
Wie stolz und hochmütig sieht er aus!
Wie groß ist doch der Unterschied
Zwischen unsern Gelehrten
Und diesen unerschrockenen Spaziergängern!
Jene ergrauen über den Büchern,
Hinter aufgezogenen Vorhängen –
Und, in Wahrheit, zu welchem Zweck?