Wilhelm Stolzenburg

male (1879–1938)

Alternative year of death: 1958

Translations

18
  • Bai xiao 白小: Silberfische (Du Fu 杜甫)
    Sie sind die kleinsten unter den Genossen, nur daumenlang und tummeln sich in Scharen. Sie müssen uns als Leckerbissen dienen. Sie werden auf die Marktplätze gefahren und aufgeschichtet, dass wir Blütenberge zu schauen meinen, die uns fast verwirren. Für diese Fische ist der Mensch eine Scherge. Vor ihrer Anzahl stockte mir der Atem. Ihr tötet sie noch alle, grause Zwerge!

    in: Stolzenburg, Wilhelm. Östlicher Divan, Umdichtungen chinesischer Dichter. Baden: Ferdinant Acker in Wolfach, 1925.
  • Bai you ji xing 白憂集行: Hundert Sorgen (Du Fu 杜甫)
    Ich sah mich heut mit Fünfzehn (welche Zeiten), Im Herzen noch das fromme junge Kind. Doch war ich kräftig, konnte rüstig schreiten. Durch unsre Bäume flog ich mit dem Wind. Nun sind die Fünfzig über mich gekommen, Das ist der Rest, den gerne man verliegt. Man ist von Traurigkeiten sehr benommen, Die Sorge häuft sich, die nicht mehr verfliegt. Die Zimmer sind wie je. Vier Wände. Öde. Die Frau greint mürrisch. Und mein Junge schreit. Ich kenne das, wenn meine Leute blöde Nach Essen jammern mit dem Mundwerk breit.

    in: Stolzenburg, Wilhelm. Östlicher Divan, Umdichtungen chinesischer Dichter. Baden: Ferdinant Acker in Wolfach, 1925.
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  • Bei ge xing 悲歌行: Das Lied von den Sorgen (Li Bai 李白)
    Ihr, die ihr hier scherzt, Ich will euch beherzt Mein neues Lied von Sorgen singen. Ihr Affengesichter, Du banges Gelichter, Der Dichter weiss von diesen Dingen! Glaubt nicht, es ist Spass. Wenn die Panik frass, Wusst ich es nicht allein zu Singen. Schrill klingt es und dumpf: Das Elend ist Trumpf! Hier schäumt ja wohl Wein ... Ist das Herz nicht von Stein, So lass die liebe Laute klingen. Meinswegen iss dich auch satt, Liebe und werde nicht matt, Den Leib, lass ihn im Tanze schwingen. Nur nichts von Hass! Rot die Kehle und nass, Den Tag zu gutem Ausgang bringen. Still! Was klagt hier dumpf? Das Elend sagt Trumpf! Ja ... Lauf, was du kannst. Und wenn du entrannst , Was wirst du noch vom Weine nippen? Es fasst dich von Hinten, Was helfen die Finten, Wehr dich und beiss. Immer sind Klippen! So muss es wohl sein: Last, Liebe und Wein Und ewige Hatz mit den Sippen ... Seid ihr schon Stumpf? Das Elend schreit Trumpf! Der Mond kommt gemach ... Ein Tier ist noch wach, Hat Menschenantzlitz und Rippen. Es pisst auf die Gräber. Riecht sauer wie Treber, Ein Affe hat solche Lippen. Zum Teufel die Angst! Trink, wenn du jetzt bangst, Dass Schemen dich zur Grube schippen ... Lärmt, seid nicht so Stumpf: Das Elend ist Trumpf!

    in: Stolzenburg, Wilhelm. Östlicher Divan, Umdichtungen chinesischer Dichter. Baden: Ferdinant Acker in Wolfach, 1925.
  • Bei ge xing 悲歌行: Des Volkes Dichter (Li Bai 李白)
    Des volkes Dichter sang ich Volk mein Lied, Die Yade-Flöte jubelte sich aus. Ich sah, wie man die Gnadenvolle mied - Dann blies ich sie vor meiner Götter Haus. Der Götter daseinsfrommer toller Zug Erschien im Tanz auf rotem Wolkenkamm. Da staunte Volk in jeder Stadt am Damm Das Wunder an von meiner Lieder Flug.

    in: Stolzenburg, Wilhelm. Östlicher Divan, Umdichtungen chinesischer Dichter. Baden: Ferdinant Acker in Wolfach, 1925.
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  • Bing ma 病馬: An mein Pferd (Du Fu 杜甫)
    Du wahrst die Haltung deiner jungen Jahre, dein Fell ist blank, wie immer es gewesen. Wie lange, Pferdchen, hab ich dich geritten? Wir haben uns durch Last und Not gestritten, der Schnee begrub uns oft in wilden Pässen. In staubgen Ebenen dörrte uns die Sonne. Wir fürchteten uns nicht. O Leben. Heisse Wonne. Nun wirft das Alter uns zu morschen Dingen. Wir stutzen. Wissen uns das Rätsel nicht zu deuten... Was spricht hier mit? Das Gute? Oder Meuten?

    in: Stolzenburg, Wilhelm. Östlicher Divan, Umdichtungen chinesischer Dichter. Baden: Ferdinant Acker in Wolfach, 1925.
  • Chun ri zui qi yan zhi 春日醉起言志: Meine Leben I, II (Li Bai 李白)
    1. Wenn diese Welt die beste aller Welten, Wozu dann sorgen und sich ewig schinden? Ich lass sie meine Fährnis nicht entgelten, Ich trink und schlafe unter den vier Winden. Wenn ich erwache, darf ich wieder staunen: Ein Vogel singt zu mir vertraulich Lieder. Ich frage, welche Zeit die Blätter raunen – Er frohlockt: Frühling! Siehst du nicht den Flieder? Da bin ich sprachlos. Ja, ich muss mich sputen. Zum Wein. Nur nicht die schöne Zeit versäumen! Die Welt ist Sommers voll nur für die Guten, Die so wie ich alle Himmel träumen. 2. Wenn unser Leben nur ein kurzer Traum, Wozu dann all die Sorgen und die Mühen. Ich pfeife auf den abgestandenen Schaum, Ich will solang ich lebe blühen. Ich schwanke gern, berauscht von zuviel Wein, Um lächelnd mich zum Schlafe hinzulegen. Vor meiner Hütte rauscht ein dunkler Hain. Ich ruhe gut. Ein tiefer Schlaf ist Segen. Erwachend hört ich über mir im Laub Ein fröhlich Singen und ein Flügelschlagen. Es mahnt mich: Wir begehen einen Raub, Wenn wir uns nicht zu neuen Werken wagen. Die Brust erschüttert, raffe ich mich auf, In Wind mein Vorsatz, denn mich ziehts zum Weine. Seht her, da ist mein wirrer Lebenslauf: Ein Lied, der Trunk, und ewig doch Alleine ...

    in: Stolzenburg, Wilhelm. Östlicher Divan, Umdichtungen chinesischer Dichter. Baden: Ferdinant Acker in Wolfach, 1925.
  • Dui xue "Zhan ku duo xin gui" 對雪“戰哭多新鬼“: Totenklage (Du Fu 杜甫)
    Ich sinne Kummer in die welke Hand, die Wolke senkt sich, eine dunkle Wand. Schneeflocken taumeln in das irre Grauen, die Nacht fällt ein, bald ist nichts mehr zu schauen. Horch, Stimmen, Stimmen ohne Halt und Ufer: Die toten Bataillone sind die Rufer. Die Geister der Gefallenen erscheinen. Der Leib west unter Dornen, unter Steinen. Die Welt ist tot, die Welt ist eine Gruft. Ich schreibe weinend Zeichen in die Luft.

    in: Stolzenburg, Wilhelm. Östlicher Divan, Umdichtungen chinesischer Dichter. Baden: Ferdinant Acker in Wolfach, 1925.
  • Ji li shi'er bai er shi yun 寄李十二白二十韻: An Li-Tai-pe (Du Fu 杜甫)
    Du bist Signal zu unsern Feinden drohend, Die Lebensquelle für das Vaterland, Die Wimper für uns und die gute Hand. Du bist das China in der Sonne lodernd, Das Ungewitter, wenn der Himmel schreit. Du bist die Liebe, unsre Liebe fodernd. Im grossen China stehst du gross und breit.

    in: Stolzenburg, Wilhelm. Östlicher Divan, Umdichtungen chinesischer Dichter. Baden: Ferdinant Acker in Wolfach, 1925.
  • Jin ling san shou (3) "Liu dai xing wang guo" 金陵三首(其三)“六代興亡國”: Nanking (Li Bai 李白)
    Du bist die Stadt. Die Fahnen schlagen Den tiefen Himmel über dir weit auf. Vor deinem Ruhm verstummen Klagen: Die Sonne hält auch nicht in ihrem Lauf. Du hörst aus deinen goldnen Tagen Sechs weise Kaiser in das helle Licht. Dein Name ist ein Trommelschlagen, Ein grosser Glanz auf deinem Angesicht. Du bist der Schützling deines Stromes, Bewahrt in seiner mittäglichen Hut. Du bist die Spitze eines Domes, Das teuerste aus unserm wilden Blut.

    in: Stolzenburg, Wilhelm. Östlicher Divan, Umdichtungen chinesischer Dichter. Baden: Ferdinant Acker in Wolfach, 1925.
  • Jun xing "Liu ma xin kua bai yu an" 軍行 “騮馬新跨白玉鞍”: Nach der Schlacht (Li Bai 李白)
    Sie reiten fort, mit Gold geschmückt die Pferde. Die Toten lächeln einen dunklen Schlaf. Ich weiss nicht, ruht hiernach die müde Erde? Ins Herz sie jetzt ein kalter Mondstrahl traf. Die Pauken lärmen und die Gongs erschüttern Die glasge Luft mit dumpfem Donnerton. Es ist ein Ruch in ihr wie von Gewittern, Denn von den Schwertern tropft es rot wie Mohn.

    in: Stolzenburg, Wilhelm. Östlicher Divan, Umdichtungen chinesischer Dichter. Baden: Ferdinant Acker in Wolfach, 1925.
  • Not determined 未定: Ich lass die Sehnsucht sich zu Tode fliegen… (Du Fu 杜甫)
    Wo ich auch bin, seh ich nur Strom und Meer, Ich will ein Schiff für meine Fahrten rüsten. Ich komme schon von Fremden Ländern her. Was sind mir Heckentore? Ich will Küsten! Gewiss, ich floh. Ach, überall ist Pein. Mein Gott, dort drüben aber ist die Ferne! Die Kameraden trinken noch den Wein. Und Purpurn sind die Nächte und die Sterne. Ins Boot. Nach Bambuswäldern. Fort! Nur Hier nicht Sterben und Erliegen. Was schweigt in Mir? Bin ich verdorrt? Ich lass die Sehnsucht sich zu Tode fliegen!

    in: Stolzenburg, Wilhelm. Östlicher Divan, Umdichtungen chinesischer Dichter. Baden: Ferdinant Acker in Wolfach, 1925. p. 15.
  • Qian huai "Chou yan kan shuang lu" 遣懷“愁眼看霜露”: Winter (Du Fu 杜甫)
    Mir brichts das Herz ab, Nacht und Frost erscheinen, doch blüht die Aster noch auf kalter Mauer. Die Trauerweide zerrt ein Regenschauer. Ein Hornruf lässt den späten Wandrer weinen. Das Wasser steht. Ein Turm liegt tot im Spiegel. Die tiefe Sonne wirft noch weite Pfeile. Die Grenzgebirge liegen da wie Riegel. Die Vögel ziehn ins Nest mit vieler Eile. Nur eine Stimme ruft noch wie gepeinigt den Abend an um eine schwanke Bleibe. Und niemand ist, der sich mit ihr vereinigt. Ein Rabe zieht vor düstrer Mondesscheibe.

    in: Stolzenburg, Wilhelm. Östlicher Divan, Umdichtungen chinesischer Dichter. Baden: Ferdinant Acker in Wolfach, 1925.
  • Qiang cun (1) "Zheng rong chi yun xi" 羌村(其一)“崢嶸赤雲西”: Die Wiederkehr (Du Fu 杜甫)
    Die Wolken türmen westlich ihre Berge in einem feierlichen Purpur auf. Ich gehe langsam, denn mich treibt kein Scherge, bis hierher war der Weg ein langer Lauf. Ich bin am Ziel. Ich höre schon die Meinen. Die Spatzen lärmen und mein Hofhund bellt. Nun seid doch still, ihr sollt nun nicht mehr weinen, ihr seht doch auch mein Angesicht erhellt. Kommt in die Tür. Sind das noch meine Zimmer? Ist das die Lampe für die stille Nacht? Nein, nein, ich geh nicht wieder, bleibe immer. Die Fackel meiner Liebe ist entfacht.

    in: Stolzenburg, Wilhelm. Östlicher Divan, Umdichtungen chinesischer Dichter. Baden: Ferdinant Acker in Wolfach, 1925.
  • Shan zhong wen da "Wen yu he shi qi bi shan" 山中問答 “問余何事棲碧山”: Ade, o Welt… (Li Bai 李白)
    So wisst denn, dass die Weite meine Heimat ist: Hier ist ein Wald und dort ein Feld zum Ruhen. Mein Lächeln ist für euch nur eine schlaue List. Ich tummle mich, befreit von meinen Schuhen. Wie Pfirsichblüten welken, welkt uns Hand und Spruch. Man wird bescheiden und hält nichts für Liebe. Ade, o Welt, ich hab von deinem Rauch genug. Dass mir doch meine Einsamkeit verbliebe.

    in: Stolzenburg, Wilhelm. Östlicher Divan, Umdichtungen chinesischer Dichter. Baden: Ferdinant Acker in Wolfach, 1925.
  • Shi qi ye dui yue 十七夜對月: An den Mond (Du Fu 杜甫)
    Du rollst in sichtbarer Gestalt auch durch die Mitte des August. Ich schrumpfe ein und werde alt in deiner Magie, deinem Blust. Wir gehn uns Abends freundlich nach. Ich bin allein im Dorf am Flusse. Ich seh im Strom das Untier wach, die Wasser treiben wie im Schusse. Du weckst die blauen Vögel auf und tauchst in die Orangenwälder. Ich halte ein im müden Lauf und trink den wilden Tau der Felder.

    in: Stolzenburg, Wilhelm. Östlicher Divan, Umdichtungen chinesischer Dichter. Baden: Ferdinant Acker in Wolfach, 1925.
  • Song bie "Xia ma yin jun jiu" 送別 “下馬飲君酒”: Ein Abschied (Wang Wei 王維)
    Ich sah ihn schon auf seiner Strasse gehn. Ich rief vom Pferd: lass dir ins Auge sehn! Du darfst nicht ohne Abschiedstrunk von hinnen. Verweile noch. Lass uns ein kleines sinnen. Er sprach: für mich ist deine Müh vertan, ich zog die scharfen Wanderschuhe an. Mit dieser habe ich befreiter Hand, verlass ich das von euch verlärmte Land. Ich weiss: dort in den nebelfreien Fernen, find ich mich wieder unter Bäumen, unter Sternen.

    in: Stolzenburg, Wilhelm. Östlicher Divan, Umdichtungen chinesischer Dichter. Baden: Ferdinant Acker in Wolfach, 1925.
    Im Buch stehen keine Seitenzahlen. Die Seitenzahl ist von mir gezählt.
  • Yue xia du zhuo si shou (1) "Hua jian yi hu jiu" 月下獨酌四首(其一)“花間一壺酒”: Maifest in Hsien-yang (Li Bai 李白)
    Mein Hsien-Yang lädt zum Feste Des süssen Maien ein. Wir sind auf Erden Gäste. Wir trinken hier den Wein. Was sollen wir denn Sinnen, Was grübeln um die Zeit? Der Wein lässt uns entrinnen, Der Morgen ist noch weit. Du wirst ein Greis mit Jahren. Und Du? Wo gehst du hin? Hallo, ihr muntern Scharen, Seht, wie ich durstig bin. Ich hebe meine Schale Vor den befreiten Mund. Zeigt mir nicht eure Male. Ich trank mich schon gesund.

    in: Stolzenburg, Wilhelm. Östlicher Divan, Umdichtungen chinesischer Dichter. Baden: Ferdinant Acker in Wolfach, 1925.
  • Zhan cheng nan 戰城南: Vor den Bastionen südwärts (Li Bai 李白)
    Dort, wo der Sang-Kan aufkommt, schlugt ihr euch, Nun mordet ihr, geübt, am Flusse Tsung. Ein leiser Wind bewegt die Flut, darin ihr Waffen wascht. Im reinen Schnee die blutigen Rosse traben. Bis untern Horizont schallt das Geschrei Der zahllosen, die aufeinander schlagen! Barbaren brennen Feld und Heimstatt ab, Sie wissen nicht mehr, was sie tun ... Wir sterben! Gelassen steht die Grosse Mauer da. Geheime Zeichen helfen uns von Bergen. Wir antworten mit Bränden aus dem Felde, Fortsetzend diesen Kampf, der, Gott weiss wann, zu Ende. Ach, viele müssen noch ins Gras und die offne Grube – Mein Pferd, was jammerst du? Schreckt dich die Wolke? Weg, Vögel! Fressen was da fällt und Mästen sich Und tragen Haut und Knochen in die Bäume ... Vergeh wie ein Soldat! Die Besten fielen! General, erschrickst du nicht? Befiehl den Toten! Es ist genug! Fort mit den blutigen Waffen! Strahl auf, o Mensch, die Liebe zu erraffen!

    in: Stolzenburg, Wilhelm. Östlicher Divan, Umdichtungen chinesischer Dichter. Baden: Ferdinant Acker in Wolfach, 1925.