Gottfried Böhm

male (1845–1926)

Translations

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  • Bei ge xing 悲歌行: Die Weisen tanzen (with Judith Gautier) (Li Bai 李白)
    Auf der Flöte mit jadenen Randen Sang ich den Sterblichen ein Gedicht, Doch mein Gedicht entfernt verstanden haben die Sterblichen leider nicht! Da, zu des Himmels beglückenden Landen hob ich empor der Flöte Ton, Und auf der Wolken glänzenden Kanten Tanzten die Weisen entzückt davon! Nun versteht man mich auch in der Sterblichen Land, Wenn ich singe zur Flöte mit jadenem Rand. –

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 109.
  • Chun ye luo cheng wen di 春夜洛城聞笛: Die geheimnisvolle Flöte (with Judith Gautier) (Li Bai 李白)
    Jüngst bracht' mir der Wind, Als er wonning wehte Durch das grüne Gezweig Und die duftenden Beete, Von fern her leise Einer Flöte Weise. Auf der Weide Zweig, den ich brach, Gab zur Antwort ich Lieder; Seither oft, wenn Alles schläft, Hören die Vöglein wieder In ihrer Sprache, in der Nacht Ein Zwiegespräch – gar süß und sacht!

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 112.
  • Gong zhong xing le ci ba shou (7) "Han xue mei zhong jin" 宮中行樂詞八首(其七)“寒雪梅中盡”: Der Fischer (with Judith Gautier) (Li Bai 李白)
    Die Erde hat den Schnee getrunken, Der Pflaume Blüthe sieht man wieder, Es glänzt der See gleich blankem Silber, Gleich neuem Gold der frische Flieder. Die Zeit ist's gelber Schmetterlinge, Die lustig in den Lüften scherzen, Und ihre müden Häupter rasten Aus an der Blumen sammt'nen Herzen. Der Fischer von der ruhigen Barke Wirft Netze auf die klare Fläche Achtlos, ob er den glatten Spiegel Des Wassers auch damit zerbräche! Er denket derer, die zu Haus geblieben, So wie die Schwalbe bleibt in ihrem Neste, Und die er wiedersieht, wenn wie die Schwalbe, Die Nahrung sie ihm bringt, die reichste, beste. –

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 12.
  • Ji li shi'er bai er shi yun 寄李十二白二十韻: An Li-Tai-Pe (Du Fu 杜甫)
    "Tie-Sie-Fen" – das ist Dein Dichterzeichen – "Der Wassertropfen, der nie wird verfliegen." – Auf zu den Sternen wird Dein Name fliegen, Dem ew'gen Weisen wirst Du ewig gleichen! Und Deinem Pinsel muß das Scepter weichen, Dem sich der Mitte Völker willig schmiegen, Und wen'ger stark ist in des Reiches Kriegen Der Helden Schwert, dem Feinde rings erbleichen. Nichts zündet wohl an reinen Sommertagen Gewitter. Plötzlich dreht in wildem Kreise Der Wind sich, Regen fällt und Wolken jagen! So auf's Papier, auf's mackelreine weiße, Läßt Deines Genius Hauch die Lettern fallen, Die Thränen Deines Geistes, leise, leise! Und wenn des Liedes Töne fern verhallen, Hört man um Dich, Du sangeskund'ger Meister, Das Beifallsmurmeln unsichtbarer Geister!

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 121f.
  • Lu shui qu 淥水曲: Am Rande des Baches (Li Bai 李白)
    Den Bach ist entlang gewandert Der jungen Mädchen Schaar – Sie haben sich verloren In Büschen von Renuphar. Vergebens sucht sie das Auge – Doch hört man sie kichern sehr Und duft'ger von ihren Gewanden Weht leis der Westwind her. Den Bach ist entlang geritten Ein Reiter den Mädchen nah – Die eine fühlt' ein Pochen Im Herzen, da sie ihn sah. Ihr Antlitz wollte sich röthen, Tiefdunkel sich röthen sogar – Doch haben sogleich sie verborgen Die Büsche von Renuphar.

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 6.
  • Not determined 未定: Um seine Gedanken zu vergessen (Aixinjueluo Hongli 薆新覺羅弘歷)
    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873.
    highly free translations which Chinese sources could rarely be determined. Cf. Gautier, Judith. Le livre de jade.
  • Not determined 未定: Das Blumenboot der westlichen Vorstadt (Du Fu 杜甫)
    In diesem gleitenden Kahne Weilt die Schönste von allen Frauen, Es gleichen den Fühlern des Falters Ihrer Augen glänzende Brauen. Sie singt aus dem Stegereife Zu traurigem Flötentone; Es fühlen ein leis Bewegen, Die Weisen im Wolkenthrone! – "Ich bin wie eine Blume, Zur Erde hinabgefallen, Verlassen, mißachtet von denen, Die grausam vorüberwallen." "Des Reises Aehre um Vieles Ist glücklicher, als ich: Man glaubt, sie habe gelächelt; Wenn Wind darüber strich." "Ich aber ach! wie lang ist's her! Ich lächle nimmer, nimmermehr!" - - - - - - - - - "Wie lang wird's währen, Ein Mann wird kehren Und ziehend über die Schulter das Seidenband, Das jetzt das Blumenboot knüpft an den Strand, Wird er geleiten All meine Leiden - In ein and'res Land!"

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 117f.
  • Not determined 未定: Des Feldherrn Wegzug (Du Fu 杜甫)
    Der Feldherr hat verlaßen Gar traurig der Freundin Haus, Gar traurig ist er gezogen Zum Thor der Stadt hinaus. Dahin ist er gezogen, Zu schlafen in flüchtigem Zelt, Da träumt er von der Freundin Fern in der weiten Welt. Horch! plötzlich weckt ihn ein Rauschen, Als wehte durch's Laub der Wind, Er stützt das Haupt auf die Hände Und lauscht empor und sinnt. Die Kleider sind es von Seide Der Freundin, die zu ihm gekehrt, D'rum glaubt' er, er habe das Rauschen Des welken Laubes gehört. "Hat meine Seele verloren, Du gibst sie mir wieder schnell, Nicht minder staunt ich, schmölze Der Schnee vom Berge zur Stell." So hat der Feldherr gesprochen, Als er sie wiedersah, Und innig sich zu ihm neigend Entgegnet die Freundin da: "Ich weinte am westlichen Fenster, Da flog eine Schwalbe vorbei, Gerührt von meinen Thränen Bot Flügel sie mir zur Leih'; Und hurtig bin ich geflogen, So hurtig her zu Dir, Daß Schildkröt' gewesen wäre Dein Schlachtroß neben mir!"

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 97f.
  • Not determined 未定: Die Flöte des Herbstes (Du Fu 杜甫)
    Armer Wand'rer, fern dem Heimathlande, Ohne Reichthum, ohne Freundesbande! Du hörst nicht mehr den trauten Klang - Der Muttersprache süßen Sang! Im Sommer glänzt hell noch der Sonne Schein, Bist arm nicht in reicher Natur, Es kann Dir fremd die Sprache nicht sein Der Vöglein in Wald und Flur! Doch hörst Du wieder der Grille Schrei, Dieser Flöte des Herbstes, spät, Zieht Dir der Wolkenzug vorbei, Die der Herbstwind bringt und verweht, So wird Dir's wieder schwer um's Herz Und ohne Grenzen ist Dein Schmerz. Dann legst auf die Augen Du Deine Hand, Und die Seele flüchtet - zum Vaterland.

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 73.
  • Not determined 未定: Der Gatte einer jungen Frau waffnet sich zum Kampfe (Du Fu 杜甫)
    Stecke Deine lange Nadel In des Rahmens rothe Seide, Bringe hurtig, meine Gattin, Mir des Krieges blank Geschmeide! Hilf die beiden, breiten Schwerter Mir um meine Lenden schlagen, So, daß ihre güld'nen Kuppeln Meine Schultern überragen ! Während ich die hohe Lanze, Deren scharfgeschliff'ne Spitzen Lächelnd off'ne Todeswunden In der Feinde Leiber ritzen, In den stolzen Händen haltend Aufgerichtet vor Dir stehe Und Dich selber mir zu Füßen, Mir zu Füßen knieen sehe, Hänge den geschmeid'gen Bogen Auch mir um die starken Lenden! Bald wird tausend schnelle Pfeile Er in's Feindesheer entsenden, Pfeile, welche in den Lüften Sich in weiten Bogen zeigen, Eh' sie sich zur Brust der Feinde Leise schwirrend nieder neigen. Und nun zitt're! Eile! Eile, Schnell das Haupt hinwegzuneigen: Denn die Larve kommt, die Grause, Die den Feinden ich will zeigen!

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 95f.
  • Not determined 未定: Der Kaiser (Du Fu 杜甫)
    Auf dem neuen, güldenen Thron Sitzet des Reiches der Mitte Sohn, Glänzt von Demant und von Rubinen In der Mitte der Mandarinen, Gleichet der Sonne glänzend und klar In der Mitte der Sternenschaar. Und von wichtigen Dingen schienen Wichtig zu sprechen die Mandarinen – Aber des Kaisers Gedankenwogen Sind zum Fenster hinausgezogen. – In des Pavillons porz'lanenem Saal Sitzet des Kaisers junges Gemahl. In der Mitte von ihren Frauen Ist sie gar herrlich anzuschauen Wie eine Blume ungepflückt Rings mit grünem Laubwerk geschmückt. Und es schien ihr, als bliebe Im Rathe zu lang der Liebe Und aus langer Weile Fächelt sie sich mit Eile. Da, in den Lüften Ein Wehen von Düften Umschmeichelt es nicht Des Kaisers Gesicht? –– "Mein Lieb mir senden mag "Mit einem Fächerschlag "Die Düfte jetzund "Von ihrem Mund." Und des Reiches der Mitte Sohn Geht zum porz'lanenen Pavillon Glänzend von Demant und von Rubinen. Ihn betrachten die Mandarinen, Welche zur Erde sich tief verneigen Sich verwundern und – stille schweigen.

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 10f.
  • Not determined 未定: Das Vaterhaus im Herzen (Du Fu 杜甫)
    Es haben die grausamen Flammen Zerstört mir das Vaterhaus; Auf güldenem Schiffe zog ich In die weite Welt hinaus. Ich griff zu der zierlichen Flöte, Sang Lieder in schweigender Nacht – Es barg sich der Mond hinter Wolken: Ich habe ihn traurig gemacht! Da wandt' ich wieder zum Berge Den leisen Ruderschlag – Mich tröstet sein Heimwärtskehren, Was ist mir Berg und Hag? Und alle Jugendfreuden, Die je mein Herz gekannt, In meinem Vaterhause Erschienen sie mitverbrannt, Verbrannt zu grauer Asche In schmerzbewohnter Brust; Ich neigt' mich hinab zum Meere, Voll sehnender Todeslust. –– Da plötzlich zog eine Dame Auf schwankender Barke vorbei – Ich wähnte, daß es das Spiegeln Des Mondes im Meere sei ! – Und wollte sie hold sich mir neigen Von ihrer Barke aus – Ich baute ihr im Herzen Ein neues Vaterhaus.

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 24f.
  • Not determined 未定: Der Hund des Siegers (Du Fu 杜甫)
    Im großen Krieg, den unter'm schwarzen Banner, Ich mitgefochten für der Mitte Reich, Erhielt ich manche schwere, tiefe Wunde, Doch viele Feinde fielen meinem Streich! Noch blutend nach dem wilden Kampfgemenge Durchwandert' ich des Todes ödes Feld Mit meinem Hunde, der an meiner Seite Gefochten hatte selber, wie ein Held. Und zeigend ihm der Opfer stille Leichen Sprach ich zu ihm: Zerfleische sie mein Hund! Und zeigend ihm das Blut, das sie vergoßen, Sprach ich zu ihm: D'ran labe sich Dein Mund! Doch an Besiegter schmachtentehrte Leichen Zu rühren, scheute sich das edle Thier; Es richtet sich empor bis zu der Wunde, Die in der eig'nen Brust noch klaffte mir. Nach meinem eig'nen ruhmesreichen Blute Nur dürstete der edle Kampfgenoß, Das frisch und warm, gleich wie aus rother Lasse Sich aus der frischen Wunde ausergoß! –

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 103f.
  • Not determined 未定: Lobgesang an Li-Tai-Pe (Du Fu 杜甫)
    Poesie ist Deine Sprache, Wie Gesang der Vöglein Sprache! Sei es in dem Licht der Sonne, Sei es in des Abends Schatten, Du siehst aller Dinge, aller Poesie mit offnem Auge! Trinkest Du den Wein, den gold'nen, Auf der Trunkenheit Gewölke Selber kommen Dir entgegen, Hehre, heit're Versgedanken! Und der Menschen Erster bist Du! Du verbreitest auf sie Alle Deines Geistes helle Strahlen, Wie die Sonne sie verbreitet. Nimm von mir, der Dich im Schatten, Tief im Schatten hoch bewundert, Nimm von mir, dem Unbekannten, Diese unbekannte Huld'gung!

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 119f.
  • Not determined 未定: Während ich die Schönheit des Wetters besang (Du Fu 杜甫)
    Auf den üppig weichen Pfühlen In dem Pavillon der Wonne, Den die Wogen sanft bespülen, Schaute ich dem Zug der Sonne Abwärts zu des Westens Kühlen Nach mit wechselnden Gefühlen. Sah der Schiffe gold'ne Flanken Auf des Wassers schnellen Wogen Leichter, als die Vögel schwanken Auf den Zweigen, sanft gebogen, Sah, wie Strahlen Tropfen tranken – Sah's mit lächelnden Gedanken! Und den Pinsel mußt ich regen, Schwarze Lettern schnell und Zeichen Auf's Papier da niederlegen, Die den Frauenhaaren gleichen. Sonnenschein lag auf den Wegen, Als ich sang "vom güld'nen, weichen, Wonn'gen Sommerwettersegen." – Bei des letzten Verses Streichen Hob das Haupt ich. – Da fiel Regen! – Sah's mit staunendem Bewegen! –

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 48f.
  • Not determined 未定: Bei der Mündung des Flußes (Li Bai 李白)
    WIe die kleinen Wellen glänzen In des Vollmonds lichtem Scheine! Wie das helle grüne Wasser Er in blankes Silber wandelt! Im durchsichtigen Gewoge Glaubt man tausend kleine Fische, kleine Fische wahrzunehemen, Die zum großen Meere ziehen. Einsam bin ich in der Barke, Welche längs dem Ufer gleitet; Manchmal mit dem Ruder spielend Schlage ich die Wasserwoge, Schlage sanft die Wasserwoge. – Und die Nacht, die tiefe Stille, Rings die weiten Einsamkeiten Füllen mir das Herz mit Trauer. Siehe da! – die Renuphare Mit den reinen, weißen Blüthen, Welche großen Perlen gleichen! Ich liebkose sie halb träumend Mit dem Ruder, das ich führe; Ihre Blätter, die erbeben, Flüstern heimlich Zärtlichkeiten, Und es ist, als wollten leise, Leise, leis mir etwas sagen Ihre kleinen weißen Häupter, Die sich traulich abwärts neigen, – Wollen sie mich Traur'gen trösten? Schweigt nur still, ihr Renuphare! Da ich wieder Euch gesehen, Hatt' ich schnell mein Leid vergessen. – Schweigt nur still, ihr Renuphare!

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 40f.
  • Not determined 未定: Die ewigen Buchstaben (Li Bai 李白)
    Hinsinnend nach Versen schau ich auf nach schwankenden Bambusrohren. Sie gleichen der Wellen wogendem Lauf, Die spielend der Wind geboren. Die Blätter, die spitzig sich streifen all Und lispelnd Gesumm vertauschen, Nachahmen des Wassers Niederfall: Sein rinnendes, rollendes Rauschen. Hin lasse ich fallen auf's Papier Buchstaben halb wie im Traume, Von Ferne wohl scheint es, als stöben hier In den Schnee die Blüthen der Pflaume. Der köstliche Duft der Orange auch, Des Lieblings der Mandarinen, Verliert den lieblichen, süßen Hauch, Im Aermel golddurchschienen. Der schneeige, weiße Reif zerstiebt, Wenn wärmere Strahlen die Sonne gibt, Doch nimmer werden zerstieben: Buchstaben, die ich geschrieben!

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 123f.
  • Not determined 未定: Gedanken des siebenten Monats (Li Bai 李白)
    In Mitten bunter Blumenbeete Träumt ich so in den Tag hinein, Und schlürfte froh des Lebens Letze, Den jadehellen, kühlen Wein. Der leise Wind, der ostwärts wehte, Liebkoste sanft die Wange mein – Und nun, da er sich wirbelnd drehte, Macht er die schwülen Lüfte rein. Ach! – wird es wieder wintersspäte, Wie wird so hoch in Ehren sein Der Mantel dann, der jetzt verschmähte! Die Traue so, die heimlich säte, Ins Herz uns Liebessonnenschein, Sie gleicht dem Sommerwind, der wehte: Wohl lindert sie des Lebens Pein; Doch wenn das Auge erst erspähte Das erste weiße Haar – so fein, So fliehen wir die einst erflehte Wie Sturm und Schnee und Winterspein!

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 81.
  • Not determined 未定: Das porzellanene Pavillon (Li Bai 李白)
    Lieblich Hell erhebt sich Aus des Sees Mitte Ein Haus, nach Chinesen Sitte Aus Porz'lan in grün und weißen Stücken. Dorthin führen kühngeschwung'ne leichte Brücken, Gleichend ganz des Tigers braun und gelb geflecktem Rücken. Lustig zechende Genossen, welche bunte Kleider tragen, – Trinken klaren, lauen Wein aus Tassen in des Herzens Wohlbehagen, Plaudern fröhlich, schreiben süße Verse, die erblühten tief in dem Gemüthe, Stülpen rückwärts ihrer seidnen Kleider Aermel und vom Haupte fallen ihre Hüte. Aber in des Wassers leicht bewegten, weiten, wonn'gen, schwanken Spiegelwogen Gleichet einem Halbmond nur der Brücke umgkehrter, leichter Bogen Und man sieht die lustig zechenden Genossen all, die bunten, Fröhlich plaudernd sitzen dort, gestreckt das Haupt nach unten. Und das Lusthaus selber auf des Felsens Rücken, Aus Porz'lan in grün und weißen Stücken, Aufgeführt nach Väter Sitte, In des Sees Mitte Abwärts senkt sich Lieblich!

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 82.
    Note the special layout of the poem in the book.
  • Not determined 未定: Die rothe Blume (Li Bai 李白)
    Als ich hinaus zum Fenster blickte, Stach mich die Nadel – welche Roth! Die weiße Blume, die ich stickte, Die wurde dunkelrosenroth. Da dacht' ich meines Trauten schnelle, Der fern im wilden Aufstand kämpft, – Sein Blut vergießet der Rebelle! – Die Thräne hat den Blick gedämpft. Doch weinend wähnt' ich, ich vernehme Da plötzlich eines Roßes Fuß, Das mit dem Trauten wiederkäme Und ging entgegen ihm zum Gruß. Doch öde war's auf dem Berg und Hagen; Wasmir die holde Täuschung schuf, War meines Gerzens laut'res Schlagen, Das nachgeahmt des Roßes Huf. Ich ging, mich wieder hinzusetzen, Hin vor den Rahmen ganz allein. – Die Thränen, die das Werk benetzen, Sie fügen ihm die Perlen ein!

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 100f.
  • Not determined 未定: Der Kormoran (Su Shi 蘇軾)
    Einsam und unbeweglich Sinnt an des Stromes Ufer Der Kormoran. Stets folgt mit ruhigem Auge Monotonem Gewoge Der Kormoran. Manchmal, wenn jemand wandert Am Strand, entfernt sich leise Der Kormoran. Hinter dem Schilfrohr lauert Dann auf den Fortgang des Wand'rers Der Kormoran. Monotones Gewoge Wiederzusehen verlangt es Den Kormoran. Nachts, wenn auf Wogen Mondlicht Sinnt, einen Fuß im Wasser, Der Kormoran. "So wer im Herzen verborgen, Trägt eine große Liebe, Folgt stets dem Wogen eines, Nur eines einz'gen Gedankens."

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 46f.
  • Not determined 未定: Traurigkeit des Ackersmanns (Su Shi 蘇軾)
    Wie jüngst der Schmetterlinge Wolkenzug, Ist Schnee zur Erd' nun leis herabgeflogen. Der Ackersmann steht traurig vor dem Pflug, Als hätt' ein Feßelnetz das Herz umzogen Ihm unsichtbar und mit geheimem Trug; Stets mit der Erd' hat Freundschaft er gepflogen Und wenn sein Aug' zu ihr er niederschlug, Den Keim zu senken in die Furchenwogen Voll holder Hoffnung, die er treu ihm trug, Gab die Gedanken auch, die heimlich zogen, Ihm durch die Seele je in flücht'gem Flug, Der Erde er, der Freundin mild gewogen. Bracht' dann des Keimes Sproß der Tage Fug, Sah die Gedanken er in Blüthentogen! – Nun aber ach! – wohin, wohin er seh' – Die Freundin: Erde – birgt sich unter Schnee! –

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 57.
  • Not determined 未定: Ein Schiff in Sicherheit gegen widrigen Wind (Su Shi 蘇軾)
    Vom Mastbaum sinken die Segel Schwerfällig auf's Verdeck, Es bläst der Wind die Flöte Mit wehender Wut so keck! Es schlagen das Schiff die Wogen Und Schaum in wirbelndem Kreis – Es scheint, als stünd es in Mitte Einer Blume groß und weiß. Der Anker steigt zum Grunde, Hält sich in Felsen fest Und gegen ihn zum Kampfe Zieht aus der wilde West. Den Felsen will erklimmen, Den Himmel selber der Gischt, Und hie und da erscheinen Das Meer und der Himmel vermischt. Die müß'gen Matrosen schlafen So ruhig auf tobender See! – Das Herz hat auch seine Stürme, Sein Mißgeschick und sein Weh. Wird günstig wieder das Wetter Und flott noch einmal das Schiff, Dann schreib' ich meine Gedanken Hin auf das Felsenriff! –

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 71f.
  • Not determined 未定: Ueber die Schwankungen eines Schiffes von der westlichen Provinz aus gesehen (Su Shi 蘇軾)
    Ein blauer Dunst umhüllt's mit leichter Gaze, Die eingefaßt von zarten Schaumesspitzen, Durchschienen auch vom grünen Meeresgrase, Als wollten weiße Zähne sie durchritzen. Von Gold durchwirkt erscheint des Meeres Breite, Da lächelnd nun die Strahlen sie beglitzen. Die kleinen Fische pusten d'rin im Streite, Und kleine Perlen sieht man d'rob entstehen. Die Welle wiegt das Boot sanft in die Weite – Es will mein Herz in Kummer fast vergehen: Gefesselt muß am Ufer ich mich härmen, Und ostenwärts die Barke treiben sehen! Von dorther hör ich frohen Jubel lärmen, Dort weiß den Frühling ich, den trauten, weilen, Dort lieblicher den Morgenwind ich schwärmen. Will singen eines Liedes inn'ge Zeilen, Dazu den Takt mit meinem Fächer schlagen – Die ersten Schwalben, die vorübereilen Will bitten ich, das Lied dorthin zu tragen – Werf' eine Blume zu des Meeres Glanze, Daß sie die Wellen hin zum Schiff verschlagen! Die kleine Blume aus dem welken Kranze, Ob auch das Leben ihr, der Duft ihr fehle, Schwebt auf den Boden doch in leichtem Tanze – Ich aber singe mit gebroch'ner Seele!

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 26f.
  • Not determined 未定: Der Verbannte (Su Shi 蘇軾)
    Junge Leute tragen gerne Heit're Farben an Gewändern, Rosenroth, wie Blumensterne, Ueppig grün, wie an Geländern; Wie im jungen Frühling säumen Neue Blumen rings die Wiesen Und den duft'gen Pfirsichbäumen Neue Blüthen rings entsprießen; Aber wer auf fremdem Meere Wandert und in fremdem Land, Trägt, wenn er auch jung noch wäre, Immer doch ein schwarz Gewand!

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 67.
  • Not determined 未定: Der Dichter wandelt auf dem Berge, der in Nebel gehüllt ist (Su Shi 蘇軾)
    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 116.
  • Not determined 未定: Die drei Frauen des Mandarinen (Cao Ye 曹鄴)
    Die rechtmäßige Gattin: Wein ist in der Tasse hier enthalten, Schwalbennester füllen diese Platte; Immer muß hoch in Ehren halten Nach Gesetz der Mandarinengatte Seine rechte Gattin! Die Concubine: In der Tasse duftet Wein, der Laue, Fette Gänse trägt die gold'ne Platte; Schenkt nicht Kinder ihm die rechte Fraue, Scheidet sich der Mandarinengatte, Wählt sich Concubinen! Die Magd: Von dem Wein die Tasse ist durchschienen, Süßigkeiten decken ganz die Platten, Wenig kümmern sich um Concubinen Und um Gattin Mandarinengatten; Denn sie lieben Wechsel! Der Mandarine. In der Tasse ist kein Wein zu schauen, Nur ein trockner Lauch liegt auf den Platten. Gehet! Lasset mich, geschwätz'ge Frauen! Spottet doch nicht eines freudematten, Armen, alten Mannes!

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 83f.
  • Not determined 未定: Ein junger Dichter denkt an seine Geliebte die jenseits des Flußes wohnt (Cao Ye 曹鄴)
    Der Mond erhebt sich zum Herzen Des nächtigen Himmels empor – D'ran ruht er, bis er in Träumen Von Liebe sich ganz verlor. – Hin über des Sees Fläche Zieht leise ein sanfter Wind, Er weht und weht und füßet Die glückliche Woge lind. Wie heiter, ach! klingen Accorde, Entschwebend dem tauten Berein Der Dinge, die nach Bestimmung Bereinigt sollen sein! – Jedoch es einen sich Dinge Gar selten im Erdenrund, Die bestimmt sind und geschaffen Zu einem süßen Bund. –

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 21.
  • Wu ye ti "Huang yun cheng bian wu yu qi" 烏夜啼“黃雲城邊烏欲棲”: Gesang der Vöglein am Abend (Li Bai 李白)
    Es wiegen auf schwanken Zweigen Sich Vöglein im frischen Wind, Sie singen und schmettern Lieder, Die fröhlich, gar fröhlich sind! – Dort hinter dem Gitterfenster Sitzt strickend die junge Frau, Sie hört die Vöglein sich rufen Und singen im Blätterbau. Das Haupt erhebt sie träumend, Hernieder sinkt die Hand – Fort sind die Gedanken gezogen, Zu ihm – in's ferne Land. Die Vöglein können sich wieder Bald finden im Blätterbau, – Wohl fallen die Thränen nieder Vom Auge der jungen Frau. Wohl fallen sie hernieder Wie Regentropfen schwer – Doch rufen sie den Geliebten Aus fernem Land nicht her. Und aufwärts erhebt sie die Hände Und nieder sinkt ihr das Haupt Zum Rahmen, wo sie Blumen Mit grüner Seide belaubt: "Ich will ein Lied ihm sticken In's Kleid, das ich ihm bescheer' – Vielleicht, daß die Lettern ihm sagen: Daß endlich er wiederkehr!" –

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 13f.
  • Ye wang "Qing qiu wang bu ji" 野望 “清秋望不極”: Abendwanderung auf der Wiese (Du Fu 杜甫)
    Die Sonne des Herbstes durchwandert Die Wiese von Osten aus, Nun senkt sie sich hinter den Bergen Hinunter in's feuchte Haus. Es bleibt ein Leuchten am Himmel, Obschon sich ihr Bild verlor, Und von jenseits des Berges steigt sie Des Morgens die Bahn empor! Der Rost bedeckt die Bäume, Die Farben sind fahl und matt, Der Abendwind hat von den Aesten Gebrochen das letzte Blatt. Die Storchenwittwe fliegt heimwärts - Wohl weiß sie ihr Neste leer – Doch traurig fliegt sie und langsam, Als hofft' sie auf Wiederkehr. Die Raben haben ein großes Geräusch in den Bäumen gemacht, Als wieder sich anzuzünden Der Mond begann für die Nacht.

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 37f.
  • Yin zhong ba xian ge 飲中八仙歌: An acht große Dichter, welche miteinander tranken: 1. An Tschi-Tschan; 2. An Uan-Tie; 3. An Tso-Sian; 4. An Tsui-Tschu-Tschi; 5. An Li-Tai-Pe; 6. An Tsou-Tie; 7. An Tan-Jo-Su; 8. An Tio-Sui (Du Fu 杜甫)
    1. An Tschi-Tschan. Schneller, als das Schiff vom Wind gezogen, Ist Dein Pferd zu uns herbeigeflogen. Seine Glieder, die sich lieblich bogen, Ahmten nach die Schwankungen der Wogen, Und die Dinge, die vorüberflogen, Zu erkennen, war dem Aug benommen, Gleich als blickte man in Meereswogen, Helle, schnelle, flüchtige und vage; Und so bist Du richtig angekommen Zu der Freunde frohem Trinkgelage! 2. An Uan-Tie! Uan-Tie! Dir rath' ich dieß Eine: Bleib immer in Ju-Jan, Da triffst Du vom besten Weine Am meisten immer an! Man möchte wahrhaftig glauben, Da gäb's voll Wein einen See Und da nur kannst Du löschen Den großen Durst, Wan Tie! 3. An Tso-Sian! Wie der Strom in den See, Aus der Tasse Porz'lan Fließt stets Dir der Wein In den Mund, Tso-Sian! Deine Kehle gleichet des Stromes Bahn, Der zwischen Bergen fließt, Dein Bauch, der ist der Ocean, Worein er sich ergießt. Wie Fische athmen das Wasser kühl, Trinkst Wein Du großes Genie; Die Fische bekommen nicht Wassers zu viel, Genug hast des Weins Du nie! 4. An Tsui-Tschu-Tschi Daß die Deine mehr kann fassen Als wohl aller Andern Tassen, Tsui-Tschu-Tschi Wie kommt es, wie? Und daß Du des Trinkens wegen, Mußt das Haupt nach rückwärts legen, Tsui-Tschu-Tschi Wie kommt es, wie? Daß sich bei dem Rückwärtsneigen Nur das Weiß des Aug's kann zeigen, Tsui-Tschu-Tschi Wie kommt es, wie? Daß dabei Du Zeit, zu sehen Wolken, die vorübergehen, Tsui-Tschu-Tschi Wie kommt es, wie? Dein Gesicht ist dunkler kaum, Als der weiße Wogenschaum, Tsui-Tschu-Tschi Wie kommt es, wie? Dem Jadbaum gleichst Du, vom Wind gestaut, Wenn duft'ger Wein Dir die Lippe bethaut! 5. An Li-Tai-Pe! Li-Tai-Pe, Du hebst die Tasse; Ehe Du sie setzest nieder, Hast gemacht Du unwillkührlich Ueber hundert holde Lieder! Fühlst nach neuem Wein Verlangen. He! - Wo weilt so lang der Schenke? Ist zu Bette längst gegangen, Gibt nicht Wein mehr in der Schenke! Dort in seinem gold'nen Fahrzeug Kommt des Himmels Sohn geschwommen, Bittet Dich, an seine Seite Mögst Du eine Weile kommen! Aber Du: "Vornehme lieb' ich, Lieb' ich ganz unsäglich wenig, Und wir sind acht frohe Freunde Hier versammelt - sagt's dem König!" Weiß wohl, daß dein Glück Du landest, Mehr als je es Weise thaten, An des Weines heller Tiefe - Doch ich will Dich nicht verrathen! 6. An Tsou-Tie. Treibst Du gleich Dich an des Tempels Pforte, Sind gleich Deine Sitten ernst und weise, Ob verboten Dir des Fleisches Speise Und des Wein's Unmäßigkeit zum Torte - Trinkst doch gern im frohen Dichterkreise! Ist Dir auch bekannt nicht Reim und Weise, Eine Poesie ist jedes Deiner Worte! - 7. An Tan-Jo-Su! Tan-Jo-Su, wenn Du drei Tassen hast, Beginnst Du zu meditiren Und gegen den Ritus - ein stummer Gast! - Den Hut vom Kopf zu verlieren. Dann nimmst Du den Pinsel zu Hand wohl auch, Aus welchem die Lettern fallen; Man glaubt, man sähe schwarzen Rauch Ihm flüchtig und schnell entquallen! - 8. An Tio-Sui! Sieben Tassen hast Du schon getrunken, Noch nicht sprühen Deiner Dichtung Funken? Aus den Träumen, in die tief versunken Deine Freunde, weckt sie Deine Rede, Wie der Wind die Wolken jüngst verwehte. Auf steh'n sie vom Stuhle und die Fehde Schweigt. Still ist rings und allzuspäte. Höre auf zu trinken, rath ich Dir, Denn Du trankest schon zu lange schier, Endlich heißt es "scheiden" doch von hier! -

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 87-92.
  • Yu jie yuan 玉階怨: Die Jadene Treppe (Li Bai 李白)
    Unter des Mondes sanfterem Schimmer Steiget empor zu ihrem Zimmer Leise des Kaisers hohes Gemahl. Steiget empor die Jadene Treppe, Küßet mit ihrer seidenen Schleppe Leise der Stufen unendliche Zahl. Und die Stufen, die Thaues nassen Glichen der weißen, seidenblassen Schleppe, die sich darüber stahl. Nun zu der Thüre hingewendet, Stehet die Kaiserin geblendet Vor dem hohen herrlichen Saal. Welch' ein Glanz! - welch' glitzernd Geflimmer! Ueberfloßen ist ganz ihr Zimmer Von des Mondes sanftestem Strahl! - Und an des Fensters Vorhangkanten Eine Gesellschaft von Diamanten Scheinen die Perlen von Kristall. Eine Gesellschaft, die sich streitet Um das Licht! - Auf den Boden gebreitet Scheinen Sterne überall.

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 33f.
  • Zhou fan dong ting 舟泛洞庭: Auf dem Fluße Tschu (Du Fu 杜甫)
    Auf flüchtiger Woge flüchtig Flog die Barke dahin, die mich trug. – Ich blickte hinab in das Wasser, Das spielend das Ruder schlug. Und über mir da breitet Sich aus des Himmels Gezelt, D'ran wandert schleppend und langsam Der Wolken wogende Welt. Der Himmel ist auch im Strome; Umzieht sich des Mondes Rund, Seh' ich die düsternde Wolke Auf des Wassers spiegelndem Grund. Da glaub' ich, es gleite die Barke Dahin auf dem Himmel jetzund Und ich denke: so spiegelt die Liebste Sich auch – auf des Herzens Grund!

    in: Böhm, Gottfried. Chinesische Lieder aus dem Livre de Jade von Judith Mendes. In das Deutsche übertragen von Gottfried Böhm. München: Theodor Ackermann, 1873. p. 18.