Victor von Strauß

male (1809–1899)

Translations

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  • Bai hua 白華: Klage der verstoßenen Königin (Anonymous (Shijing))
    Weiß umblühte Binsenreiser Schnüren weiße Halme ein. Ach, von ihm hinweggesendet, Bin ich einsam und allein. Die beglänzte weiße Wolke Thauet Halm' und Binsen an. Hart und schwer des Himmels Wege, Ach, daß er sich nicht besann! Nordwärts fließen Rieselgräben, Wässern Reißgefilde an. Seufzend sing' ich, Weh im Busen, Denk' an den erhabnen Mann. Maulbeerholz, geholt zum Brande, Zünd' ich an im Öfelein. Dieser Mann, so hoch von Stande, Ja, er giebt mein Herz der Pein. Pauk' und Glocke vom Palaste Hör' ich schallen bis hierher. Sein gedenk' ich unter Schmerzen, Und er achtet mein nicht mehr. Ist der Reiher an dem Deiche, Ist der Kranich in dem Hain. Dieser Mann, so hoch von Stande, Ja, er giebt mein Herz der Pein. Haubenten sind am Deiche, Falten links die Flügel ein. Ohne Güte läßt er gleiche Tugend dieß wie jenes sein. Jener Stein ist zu verächtlich, Ihn betreten bringt nur Schmach. Doch daß Er mich weggesendet, Läßt mir bittre Schmerzen nach.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 379f.
  • Bai ju 白駒: Mahnung an einen verehrten Freund, sich dem öffentlichen Dienst nicht zu entziehen (Anonymous (Shijing))
    Das glänzend helle Schimmelfüllen Zehrt meines Gartens Gräserei; Ich fesselt' es, ich band es läßlich, Daß länger dieser Morgen sei, Damit auch jener, den ich meine, Sich hier erhole sorgenfrei. Das glänzend helle Schimmelfüllen Zehrt meines Gartens Bohnenmast; Ich fesselt' es, ich band es läßlich, Daß länger dieses Abends Rast, Damit auch jener, den ich meine, Hier bleib' als auserwählter Gast. Das glänzend helle Schimmelfüllen, Wie herrlich, als es mir erschien! Wärst du ein Fürst, wärst du ein Herzog, Und Muß' ohn' Ende dir verlieh'n! Doch hüte dich vor Müssiggange, Bezwing' den Wunsch, die Welt zu flieh'n. Das glänzend helle Schimmelfüllen Es würd' im öden Tal allein Mit einem Bündlein Grases sein, Ist auch sein Herr ein Edelstein, Nicht sei dein Ruf dir Edelstein und Gold, Wenn doch mein Herz dich lassen sollt'.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 297f.
  • Ban 般: Tscheu's Herrlichkeit (Anonymous (Shijing))
    O wie so herrlich wurde Tscheu! Es steigt auf seine hohen Berge, Bergkämme und erhab'nen Gipfel, Es geht den ganzen Tag entlang Und über alles unterm Himmel, Vereinend was ihm nur entspricht. Das ist nun Tscheu's Beruf geworden.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 498.
  • Ban 板: Schärfere Mahnungen (Anonymous (Shijing))
    Der höchste Herr hat sich gekehrt, Elend das niedre Volk verzehrt. Ihr redet, was sich nicht bewährt, Beschließt, was nicht weithin begehrt; Kein Weiser ist, d'ran ihr euch kehrt, Und Redlichkeit ist ohne Wert. Beschließt ihr, was nicht weit begehrt, Halt' ich's der ernsten Weisung werth. Schickt jetzt der Himmel schweres Leid, So zeigt nicht solche Fröhlichkeit! Ist jetzt der Himmel so erregt, So zeigt euch nicht so unbewegt! Stimmt' euer Reden überein, Würd' auch das Volk bald einig sein; Wär' euer Reden hold und mild, So wär das Volk auch bald gestillt. Ob auch mein Dienst ein andrer ist, Bin ich doch euer Mitgespann; Doch wenn ich euch ermahnen will, Hört ihr mich kalt verächtlich an. Ich rede von der ernsten Pflicht, Meint nicht, zum Lachen sei's nur so. Die Alten hatten einen Spruch: "Nimm Rath an auch von Heu und Stroh". Stürmt jetzt der Himmel auf uns ein, So treibt nicht solche Spötterei'n! Doch sprech' ein Alter noch so wahr, Die Jugend blickt hochmütig d'rein. Nicht ich red' Altersfaselei'n: Ihr treibt mit Elend Spötterei'n; Doch ist der Brand erst allgemein, Wird weder Heil noch Hülfe sein. Wenn jetzt des Himmels Zorn begann, So gebt Geprahl und Schönthun d'ran! Doch Würd' und Ernst ist schier hindann; Ein Todtenknab' der beste Mann. Das Volk das seufz' und ächze wie es kann, Zur Prüfung wagen wir uns nicht hinan. Ob Noth schon Überhand gewann, Nimmt sich doch keiner unsrer Massen an. Vom Himmel wird das Volk belehrt, Wie Pfeifenklang vom Flötenhauch, Wie Scepter von Halbsceptern auch, Wie Fassen von dem Handgebrauch; Mehr wird zum Fassen nicht begehrt. So wird das Volk gar leicht belehrt. Doch ist das Volk so sehr verkehrt, So bleibt doch selbst nicht auch verkehrt! Die Guten sind ein Zaunverband, Volksmassen eine Mauerwand, Die großen Länder eine Wehr, Die großen Stämm' ein Pfeilerstand, Die Tugendhaften Ruh-Gewähr, Die Stammessöhn' ein Wall umher. Laßt nicht den Wall zugrunde geh'n! Nicht ihn voll Furcht alleine steh'n! Habt vor des Himmels Zorne Scheu, Wagt nicht so eitle Spielerei! Scheut auch des Himmels Wandelgang, Wagt dieses Treiben nicht zu lang! Der hohe Himmel schaut darein, Er gehet mit euch aus und ein; Der hohe Himmel sieht es klar, Er wandelt mit euch immerdar.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 429-431.
  • Bao yu 鴇羽: Dienstpflicht und Kindespflicht (Anonymous (Shijing))
    Wildgänse laut die Flügel regen Und setzen sich in Eichgehegen. Im Königsdienste gilt's, sich regen. Nicht anbau'n konnten wir den Hirsensegen; Wer wird denn unsrer Ältern pflegen? Endloser blauer Himmel du! Wann sind wir wieder dort zugegen? Der wilden Gänse Flügel schallt, Sie setzen sich im Dornenwald. Im Königsdienste gilt's, sich regen. Fern sind wir, da es Hirse säen galt; Wie wird den Ältern Unterhalt? Endloser blauer Himmel du! Kommt denn noch nicht das Ende bald? Der wilden Gänse lärm'gen Heeren Muß Rast der Maulbeerhain gewähren. Im Königsdienste gilt's, sich regen. Der Bau von Reiß und Mais mußt' uns entbehren, Wie werden sich die Eltern nähren? Endloser blauer Himmel du! Wann wird die Ordnung wiederkehren?

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 203.
    in: Gundert, Wilhelm. Lyrik des Ostens. München: Carl Hanser Verlag, 1952. p. 243.
  • Bei feng 北風: Dringen auf Auswanderung in unglücklicher Zeit (Anonymous (Shijing))
    Die Wind' aus Norden frostig wehn, Und Schneegestöber niedergehn. Die ihr mir wolwollt und mich liebt, Nehmt meine Hand und laßt uns gehn! Da säumt ihr hier, da stockt ihr dort! Es kam aufs höchste! auf und fort! Die Wind' aus Norden pfeifen schier, Und Schneegestöber treiben hier. Die ihr mir wolwollt und mich liebt, Nehmt meine Hand und kommt mit mir! Da säumt ihr hier, stockt ihr dort! Es kam auf's höchste! auf und fort! Nichts roth hier, wenn's nicht Füchse waren; Nichts schwarz hier, wenn nicht Rabenschaaren. Die ihr mir wolwollt und mich liebt, Nehmt meine Hand und laßt uns fahren! Da säumt ihr hier, da stockt ihr dort! Es kam aufs höchste! auf und fort!

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 112.
  • Bei men 北門: Noth eines Staatsbeamten (Anonymous (Shijing))
    Durch's Nordthor bin ich fort gerannt, Von Gram im Herzen überrannt, In Noth und Elend stets gebannt, Und keinem ist mein Leid bekannt. Genug davon! denn oh, Des Himmels Fügung macht' es so; Was ist davon zu sagen, oh? Des Königs Dienste schicken mich, Die Staatsdienst', all' auf mich gehäuft, ersticken mich; Und kehr' ich dann von außen heim, Steh'n meine Hausgenossen rings und zwicken mich. Genug davon! denn oh, Des Himmels Fügung macht' es so; Was ist davon zu sagen, oh? Des Königs Dienste jagen mich, Die Staatsdienst', all' auf mich gehäuft, zerschlagen mich; Und kehr' ich dann von außen heim, Steh'n meine Hausgenossen rings und plagen mich. Genug davon! denn oh, Des Himmels Fügung macht' es so; Was ist davon zu sagen, oh?

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 111.
  • Bei shan 北山: Beamtenplagen (Anonymous (Shijing))
    Ich steig' hinauf das Nordgebirg Und sammle Mispeln in der Zeit. Ein Mann im Amt, voll Tüchtigkeit, Ist früh und spät dem Dienst geweiht. Im Königsdienst gilt kein Versäumen; Doch Vater, Mutter sind voll Leid. Der weite Himmel überspannt Nichts was nicht wäre Königs Land. Von allen Ufern landherein Ist kein Bestallter, der nicht sein. Die Großen aber thun nicht fein: Dienst muß ich leisten wie als klug allein. Mein Hengstgespann rennt ohne Rast; Des Königs Dienst erfordert Hast. Man lobt mich, daß ich noch nicht alt, Daß Wen'ge mir an Kräften gleich. Solang' mein Rückgrat noch nicht weich, Hab' ich zu sorgen rings im Reich. Die Einen ruh'n zu Hause mit Behagen, Wenn Andre sich im Reichsdienst müde plagen; Die Einen rasten hingestreckt auf Kissen, Wenn Andre unaufhörlich reisen müssen. Die Einen kennen nicht Geschrei noch Lärmen, Wenn Andre sich in schwerem Mühsal härmen; Die Einen liegen müßig auf dem Rücken, Wenn Andre schier des Königs Dienst' erdrücken. Die Einen weilen froh beim Trinkvergnügen, Wenn Andre schwergeängstet bangt vor Rügen; Die Einen geh'n umher und splitterrichten, Wenn Andre jeden Dienst allein verrichten.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 341f.
  • Bi gong 閟宮: Lobgesang auf den Fürsten Hi von Lu (Anonymous (Shijing))
    Wie still die heil'gen Tempel steh'n, An Bau und Ausstattung vollzogen! Höchst auserwählt war Kiang Juan, Die nie von Tugend abgebogen! Ihr war der Höchste Herr gewogen, Und ohne Leiden, ohne Weh'n, Genau als ihre Mond' entflogen, Gebar sie den Heu-tsi zur Welt, Dem aller Segen ward gesellt, Mit Hirten, spät und früh im Feld, Und früh' und spätem Kraut und Spelt. Bald ward ein Lehnstaat ihm bestellt, Wo er das Volk ließ bau'n das Feld. Da gab es Hirsen, schwarz und weiß, Gab's Opferhirse, gab es Reiß. Und bald in allen Landes Kreis Führt' er Jü's Anfang fort mit Fleiß. Es war des Heu-tsi Nachgeschlecht, Aus welchem König Thai entsprang, Der südlich wohnt' am Khi-Bergs Hang, Im Anbeginn des Falls von Schang; D'rauf Wen und Wu bei ihren Zeiten Thai's Anfang wußten fortzuleiten Bis zu des Himmels Endbeschluß. Und als es hieß auf Mu's Gebreiten: "Kein Zweifeln! keine Bangigkeiten! Der Höchste Herr ist dir zu Seiten!" Da zeigt' er Schang's Geschwadern Streiten; Ein Jeder that sein Heldenwerk. Der König sprach: "Ohm, höre zu! Einsetz' ich deinen Erstgebor'nen, Daß er als Fürst regier' in Lu, Und viel dem Lande leg' ich zu, Daß es dem Tscheu-Haus Hülfe thu'." Da setzt' er ein den Fürst von Lu, Und gab die Ostmark ihm zu Handen. Er wies ihm Berg' und Flüsse zu, Sammt Gründen, Feldern, Nebenlanden. Und nun kommt des Tscheu-Fürsten Enkel, Es kommt der Sohn des Fürsten Tschuang Zum Opfer mit dem Drachenbanner Und den sechs Zügeln, schmeidig, lang. Nie bleibt's im Lenz und Herbst ihm fern, Die Opfer fehllos darzubringen Dem höchsten Herrschenden, dem Herrn; Und seinem hohen Ahn Heu-tsi Bringt er die Stiere, roth und rein. Die nehmen's an, die freu'n sich sein Und senden reichliches Gedeih'n. Der Tscheu-Fürst und die hohen Ahnen, Auch diese segnen deine Bahnen. Wird's Herbst, hat man des Opfers Acht. Mit Stirnbrett Sommers schon bedacht, Wird weißer Stier, wird rother bracht; Die Stierpokale steh'n in Pracht; Rostbraten, Hackfleisch, Brühe lacht, Dann Schüsseln, Näpfe, große Tracht; Der Tanzchor ist vermannigfacht. Heil für den frommen Sohn erwacht, Es wird dir Glanz und Reichthum zugedacht, Dein Leben lang und Alles gut gemacht, Daß du dieß Ostland hältst in Wacht, Und Lu bleibt stets in deiner Macht, Unabgemindert, unversehrt, Und unerschüttert, unbeschwert; Dazu drei Alte, treu und bewährt Wie Berg' und Gipfelhöh'n der Erd'. Der Fürst kann tausend Wagen führen Mit rothen Quasten, grünen Schnüren, Die je zwei Speer' und Bogen zieren. Sein Fußvolk sind dreimal Zehntausend Im Muschelhelm mit rothen Schnüren, Viel Fußvolks läßt sein Feuer spüren, Die Sjung, die Ti zur Zucht zu führen, King, Schu zu zücht'gen nach Gebühren, Daß nirgends Widerstand sich wagt zu rühren, Und Glanz und Fülle wird dir zugesendet, Und Lebensläng' und Reichthum dir gespendet; Gekrümmte Rücken, graues Haar – Wer Greis ist, wird im Dienst verwendet; Du wirst gedeih'n und wachsen immerdar, Wirst altern ohne deiner Kraft Gefahr, Und tausendmahl zehntausend Jahr' Sind deine greisen Brauen Kummers bar. Hoch spitzt das Thai-Gebirg sich zu, Auf das man blickt im Lande Lu; Der Kuei, der Mung sind uns zur Hand; Bald geht's in's fernste Morgenland Bis zum Gebiet am Meeresstrand; Der Koai-Barbar sucht Freundschaftsband, Nicht Einer leistet Widerstand; – Das bringt der Fürst von Lu zu Stand. Den Fu-, den Ji-Berg wird er wahren, Wird über Siu's Bewohner fahren Bis zum Gebiet am Meeresstrand. Die Man, die Me, die Koai-Barbaren, Die Horden dort im Mittagsland – Nicht Einer leistet Widerstand, Nicht Einer wagt Bejah'n zu sparen; Lu's Fürsten huld'gen ihre Schaaren. Der Himmel wendet Heil dem Fürsten zu. Mit greisen Brauen schirmt er Lu, Hält seinen Hof in Tschang und Hu, Und bringt des Tscheu-Fürst ganz Gebiet herzu. Da schmaust der Fürst, ein froher Mann, Mit Weib und greiser Mutter dann, Mit Großen und Beamten lobesan; Hält Lehn und Land sich unterthan, Und wird noch Segens viel empfah'n Bei greisem Haar und Kindes Zahn. Vom Ts'hu-lai wurden Fichtenstämme, Cypressen von des Sin-fu Seit' Gehau'n und in Gemessenheit Nach Ruth' und Elle zubereit't. Die Fichtenbalken waren breit, Die Hallen wurden hoch und weit, Und reich der Tempel Herrlichkeit, Die Hi-sse neu zu dieser Zeit Gebaut gar groß und hoch und weit Zu alles Volks Zufriedenheit.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 505-509.
    PK an Frau Storm: Das Wort "Herr" wird im Buch von von Strauß im Sütterlin jedes Mal "HErr" geschrieben, ich habe die Schreibweise allerdings angepasst/korrigiert. Falls es sich dabei um eine mir nicht bekannte, aber übliche Form handelt, kann Ich die Abschrift gerne ändern.
  • Bi gou 敝笱: Wen-Kiangs freche Besuche in Thsi nach ihres Gemahls Ermordung (Anonymous (Shijing))
    Zerbrochne Reusen sind am Damm Beim Brassen- und beim Karpfenvolke. Die Tochter Thsi's, sie kehrt zurück, Und ihr Gefolge gleicht der Wolke. Zerbrochne Reusen sind am Damm, Dabei sich Brass' und Schlei' bewegen. Die Tochter Thsi's, sie kehrt zurück, Und ihr Gefolge gleicht dem Regen. Zerbrochne Reusen sind am Damm, Frei geh'n die Fische durch die Ruthen. Die Tochter Thsi's, sie kehrt zurück, Und ihr Gefolge gleicht den Fluthen.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 184.
  • Biao you mei 摽有梅: Furcht, eine alte Jungfer zu werden (Anonymous (Shijing))
    Geschüttelt sind die Pflaumen, Und übrig sind noch sieben, oh. Die ihr mich wollt, ihr jungen Herrn, Jetzt ist die Zeit zum Lieben, oh. Geschüttelt sind die Pflaumen, Und übrig sind noch dreie, oh. Die ihr mich wollt, ihr jungen Herrn, Jetzt ist es an der Reihe, oh. Geschüttelt sind die Pflaumen, Und all' in vollen Körben da. Die ihr mich wollt, ihr jungen Herrn, Jetzt ist die Zeit zum Werben da.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 86.
    in: Oehlke, Waldemar. Chinesische Lyrik und Sprichwörter. Bremen-Horn: Walter Dorn-Verlag, 1952. p. 36.
  • Biao you mei 摽有梅: Geschüttelt sind die Pflaumen (Anonymous (Shijing))
    in: Kürschner, Josef. China. Schilderungen aus Leben und Geschichte, Krieg und Sieg. Ein Denkmal den Streitern und der Weltpolitik. Leipzig: Verlag von Hermann Zieger, 1901.
    Excerpt.
  • Biao you mei 摽有梅: Geschüttelt sind die Pflaumen (Anonymous (Shijing))
    Geschüttelt sind die Pflaumen, Und übrig sind nur sieben, o! Die ihr mich wollt, ihr jungen Herrn, Jetzt ist die Zeit zum Lieben, o! Geschüttelt sind die Pflaumen, Und übrig sind nur dreie, o! Die ihr mich wollt, ihr jungen Herrn, Jetzt ist es an der Reihe, o! Geschüttelt sind die Pflaumen, Und all in vollen Körben da. Die ihr mich wollt, ihr jungen Herrn, Jetzt ist die Zeit zum Werben da.

    in: Brandes, Georg. Die chinesische Dichtung von Otto Hauser. Mit 9 Vollbildern in Tonätzung. Berlin W.: Marquardt Co., Verl.-Anst. G.m.b.H., 1905. p. 12.
  • Bin zhi chu yan 賓之初筵: Weingenuß in Maß und Unmaß (Anonymous (Shijing))
    Die Gäste, die den Matten nah'n, Reih'n links und rechts sich fein daran. Gereih't steh'n Näpf' und Schüsseln dort, Zukost und Frücht' an ihrem Ort; Und da der Wein so süß und fein, Trinkt man gar einig seinen Wein. Glocken und Pauken steh'n zurecht, Mit sitt'gem Zutrunk wird gezecht. Dann wird die große Scheib' errichtet, Und Pfeil und Bogen zugerichtet, Und wenn gepaart die Schützen steh'n: "Nun lasset eure Schießkunst seh'n! Und trefft das weiße Mittelmal, Zu fordern euern Strafpokal!" Mit Pfeif' und Pauk' im Flötentanz Schallt die Musik harmonisch ganz; Zu würd'ger Ahnen Lust und Glanz Nimmt man die hundert Bräuch' in Acht. Und sind die hundert Bräuch' erbracht, So groß sie sind, so mancherlei, – Dann: "legen sie dir vollstes Glück Und Kindern, Enkeln Segen bei!" Und seid ihr ihres Segens froh, Wies Jeder, weß er fähig sei, So schöpft ein Gast mit eigner Hand, Es tritt herein ein Kämm'rer auch Und schenkt den Ruhebecher ein, Zu enden euern Jahrszeitbrauch. Die Gäste, die den Matten nah'n, Mit feinstem Anstand geh'n sie dran. So lange sie nicht trunken worden, Bleibt Sitt' und Haltung wolgethan; Sobald sie aber trunken worden, Schwankt Sitt' und Haltung aus der Bahn, Sie steh'n vom Platz' auf, ändern dran, Sie springen tanzend auf den Plan. Solange sie nicht trunken worden, Sind Sitt' und Haltung ausgesucht; Sobald sie aber trunken worden, Geh'n Sitt' und Haltung auf die Flucht; Denn eben weil sie trunken worden, Weiß keiner mehr von rechter Zucht. Sobald die Gäste trunken worden, So schrei'n und lärmen sie umher, Verwirren uns die Näpf' und Schüsseln, Und tanzen taumelnd hin und her; Denn eben weil sie trunken worden, Merkt keiner seinen Unfug mehr. Die Hüte schief auf ihren Köpfen, So tanzen sie bis zum Erschöpfen. Ist man berauscht und geht davon, Ist's allgemein für Glück zu schätzen; Ist man berauscht, geht aber nicht, Das heißt die Schicklichkeit verletzen. Weintrinken ist gar schön und gut, Doch nur, wenn man's fein sittig thut. Bei jedem dieser Weingelage Wird mancher trunken, mancher nicht. Drum wird ein Trinkwart eingesetzet, Und ein Gehülf' ihm zum Bericht. Und wenn die Trunkenen nicht gutthun, Daß Nichtberauschte Scham anficht, So mahnen sie die Unfolgsamen, Daß Rohheit nicht die Schranke bricht, Daß Unsagbares nicht gesagt wird, Nicht Unbefolgbar's vorgebracht; Da Worte Trunkener befolgen, Hornlose Widder ausgeh'n macht. Wem schon den Sinn drei Becher rauben, Wie darf sich der noch mehr erlauben?

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 365-367.
  • Bo xi 伯兮: Trauer über des Gatten Entfernung (Anonymous (Shijing))
    Mein Held, welch Kriegsfester, oh! Des Landes Allerbester, oh! Mein Held, der führt den langen Speer, Und vor dem König jagt er her. Seitdem mein Held gen Osten strich, Mein Haupt dem Wollenkraute glich. Ob mir es denn an Salben fehlt? – Ach, wem zu Liebe schmückt' ich mich? Es regne nur! es regne nur! Hell kommt daraus der Sonnenschein. Nach meinem Helden sehn' ich mich; Süß ist für's Herz des Hauptes Pein. Ja, hätt' ich des Vergessens Kraut, Wol hinterm Hause pflanzt' ich's ein, Doch meines Helden dächt' ich stets, Mag auch mein Herz voll Wehe sein.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 139.
  • Bo zhou "Fan bi bo zhou, yi fan qi liu" 柏舟 "汎彼柏舟,亦汎其流": Unverdiente Zurücksetzung und Kränkung (Anonymous (Shijing))
    Da schwimmet der Zypressenkahn, Und schwimmet seine Wogenbahn. So treibt mich's ohne Ruh' und Schlaf, Wie wen da nagt des Schmerzes Zahn. Nicht, weil mir Wein wär' abgethan, Daß ich lustwandle sonder Plan. Kein bloßer Spiegel ist mein Herz, Aufnehmen kann es nicht allein. Und hab' ich ja der Brüder auch, Das kann mir keine Stütze sein. Komm' ich und klage meine Pein, So fährt ihr Zorn auf mich herein. Mein Herz ist nicht ein Stein der Flur, Den hin und her man trollen kann; Mein Herz ist keine Matte nur, Die auf und zu man rollen kann; Stets übt' ich Ehrbarkeit und Zucht, Nichts, dem man Tadel zollen kann. Nur Grams ist sich mein Herz bewußt, Mich haßt die Schaar voll niedrer Luft; Daß ich der Kränkung viel schon sehn, Der Schmach nicht wenig tragen mußt'. Stillschweigend sinn' ich drüber nach, Wach' auf – und schlag' an meine Brust. O Sonne du, und du, o Mond, Habt ihr das Wechseln umgegeben? Ach meines Herzens bittres Leid Ist ungewaschnen Kleidern eben. Stillschweigend sinn' ich drüber nach, Und – Flügel kann ich nicht erheben.

    in: Scherr, Johannes (ed.). Bildersaal der Weltliteratur. Aus dem Literaturschatz der Morgenländer (Inder, Chinesen, Hebräer, Araber, Perser, Türken), - der Alten (Hellen und Römer), - der Romanen (Provençalen, Italiener, Spanier, Portugiesen, Franzosen), - der Germanen (Engländer, Deutschen, Niederländer, Isländer, Schweden, Dänen), - der Slaven (Böhmen, Serben, Polen, Russen), - der Magyaren (Ungarn) und der Neugriechen. Stuttgart: Ad. Becker's Verlag, 1848. p. 15.
    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 92f.
  • Bo zhou "Fan bi bo zhou, zai bi zhong he" 柏舟 "汎彼柏舟,在彼中河": Die treue Wittwe (Anonymous (Shijing))
    Da schwimmet der Zypressenkahn Bis mitten in den Strom hinein. Den wir in Doppellocken sahn, Ja, er nur durfte für mich sein. Kein Andrer bis zum Tod, ich schwör's, wird mein; O Mutter und o Himmel du, O trauet ihr mir das nicht zu? Da schwimmet der Zypressenkahn, Und naht des Stromes Seite sich. Den wir in Doppellocken sahn, Ja, Er allein war da für mich. Kein Schlechtes bis zum Tod, ich schwör's, thu' ich; O Mutter und o Himmel du, O trauet ihr mir das nicht zu?

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 116.
  • Cai fan 采蘩: Wie die Fürstin das Frühopfer des Fürsten sorgsam vorbereitet und ihm würdiglich beiwohnt (Anonymous (Shijing))
    Wermuth abzupflücken geht sie An die Inseln, an die Weiher; Gehet um ihn zu verwenden Bei des Fürsten Opferfeier. Wermuth abzupflücken geht sie An den Bächen in dem Thale; Gehet um ihn zu verwenden In des Fürsten Ahnensaale. Hebt ihr Haupt im Schmuckgefunkel Bei dem Fürsten früh im Dunkel, Senkt's im Schmuckgefunkel nieder, Und gelassen geht sie wieder.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 79.
    in: Gundert, Wilhelm. Lyrik des Ostens. München: Carl Hanser Verlag, 1952. p. 9.
  • Cai ge 采葛: Abwesenheit des Geliebten (Anonymous (Shijing))
    Ach, da pflückt er Ko-Gerank, – Und Ein Tag, ohn' ihn zu sehen, Wird mir ja drei Monden lang! Ach, da pflückt er Stabwurz heut, – Und Ein Tag, ohn' ihn zu sehen, Wird mir dreier Herbste Zeit! Ach, da pflückt er Beifuß ein, – Und Ein Tag, ohn' ihn zu sehen, Ist als ob's drei Jahre sei'n.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 150.
  • Cai ling 采苓: Gegen Klatschereien (Anonymous (Shijing))
    Süßholz pflücken, Süßholz pflücken Magst du auf des Scheu-jang's Rücken! Bringen Leute dir Geschichten, Lasse ja dich nicht berücken. Laß ihr Tichten! laß ihr Tichten! Daß es wahr sei, glaub' mit nichten! Bringen Leute dann Geschichten, Was kann das verrichten? Raute binden, Raute binden Magst du in des Scheu-jang's Gründen! Bringen Leute dir Geschichten, Laß sie ja nicht Glauben finden. Laß ihr Tichten! laß ihr Tichten! Daß es wahr sei, glaub' mit nichten! Bringen Leute dann Geschichten, Was kann das verrichten? Senf zu brechen, Senf zu brechen, Such' an Scheu-jang's Morgenflächen! Bringen Leute dir Geschichten, Laß ja nicht dein Ohr bestechen. Laß ihr Tichten! laß ihr Tichten! Daß es wahr sei, glaub' mit nichten! Bringen Leute dann Geschichten, Was kann das verrichten?

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 207.
  • Cai lü 采綠: Des Gemahls Entfernung (Anonymous (Shijing))
    Kraut sucht' ich morgenlang mir ein, Doch keine Handvoll sollt' es sein. Zerworren ward das Haupthaar mein, Da kehrt' ich heim und wusch es rein. Ich sucht' Anil den Morgen schier, Doch nicht die Schürze füllt er mir. Der fünfte Tag, das war die Frist: Am sechsten ist er noch nicht hier. So oft mein Herr zum Jagen ging, Hab' ich ihm eingepackt den Bogen; So oft mein Herr zum Angeln ging, Hab' ich die Schnur ihm aufgezogen. Wenn er geangelt, was dann war's? Es waren Karpfen, waren Brassen; Und waren's Karpfen, waren's Brassen, So durften sie sich sehen lassen.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 376.
  • Cai pin 采蘋: Sorge der jungen Gemahlin eines hohen Beamten für die häuslichen Opfer (Anonymous (Shijing))
    Wasserampfer geht sie brechen Südwärts an des Thales Bächen; Doldennarfen geht sie pflücken An beschwemmten Bodenstücken. Gehet, sie hineinzulegen In die Körbe, in die Wannen; Gehet, um sie abzusieden In den Töpfen und den Pfannen. Geht, und unterm Mittagsfenster Stellt sie's auf im Ahnensaal. Und wer ist es, der da opfert? Würdiglich ein zart Gemahl.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 81.
  • Cai qi 采芑: Fang-schu's Sieg über die Man-King (Anonymous (Shijing))
    Als man die weiße Hirse band Dort auf den neuen Ackerlagen, Hier auf dem frischgebrochnen Land, Da nahm Fang-schu sein Amt zur Hand. Dreitausend waren seiner Wagen, Sein Heer bewährt im Widerstand. Die Truppen führte Fang-schu an; Er fuhr mit seinem Schimmelspann. Das Schimmelspann hielt ebnen Gang. Das Roth bewies des Wagens Rang, Sammt Schirmwand, Fischhautköcher blank, Und Brustgespäng' und Zaumbehang. Als man die weiße Hirse band Dort auf den neuen Ackerlagen, Hier auf der Dörfer Länderei'n, Da nahm Fang-schu sein Amt in Hand. Dreitausend waren seiner Wagen, Kriegsbanner flatterten darein. Die Truppen führte Fang-schu an. Jochschmuck und Nabenband ließ fein, Hell klirrten acht Zaumglöckelein. Er trug sein hohes Amtsgewand; Der Scharlachschurz gab Glanz und Schein, Laut klang das grüne Gurtgestein. Rasch ist die Weih' in ihrem Flug, Ob der sie mag zum Himmel tragen, Ob sie zum Sitzen niederfährt. So nahm Fang-schu sein Amt zur Hand. Dreitausend waren seiner Wagen, Sein Heer im Widerstand bewährt. Die Truppen führte Fang-schu an. Mit Cymbelschlägern, Trommlerklängen Stellt' er die Schaaren, lenkt' er Mengen. Klug und verläßlich ist Fang-schu: Der Trommelschlag klang dumpf und bang, – Heim zog das Heer mit munterm Klang. Verblendet wollten die Man-King Dem großen Reich sich feind gebaren. So hoch Fang-schu auch war an Jahren, So kühn doch sein' Entwürfe waren. Die Truppen führte Fang-schu an; Er griff die Frevler, fing die Schaaren. Streitwagen rollten da in Menge, In Übermeng', in Überschwang Wie Wolkenkrach und Donnerklang. Klug und verläßlich ist Fang-schu, Der auszog und die Hian-jun schlug Und die Man-King zur Ehrfurcht zwang.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 285f.
  • Cai shu 采菽: Des Königs Erwiderung auf das vorige Lied (Anonymous (Shijing))
    Herrlich, herrlich sind die Blüthen, Die in Laubes Stille prangen. Da ich diese Herrn erblickt, Ist das Herz mir aufgegangen. Ist das Herz mir aufgegangen, Sollen sie dafür auch Lob und Preis empfangen. Herrlich, herrlich sind die Blüthen, Prächtig ist das Gelb an ihnen. Da ich diese Herrn erblickt, Waren sie mit Glanz erschienen. Waren sie mit Glanz erschienen, Soll es auch zu ihrem Besten dienen. Herrlich, herrlich sind die Blüthen, Gelbe nun und weiße dann. Da ich diese Herrn erblickt, Fuhren sie mit Schimmelsspann'. Fuhren sie mit Schmmielsspann', Glänzten die sechs Zügel dran. Ging's zur Linken: – ging's zur Linken Nach der Herrn bewährten Winken. Ging's zur Rechten: – ging's zur Rechten, Zeigend, was die Herrn vermöchten. Zeigen sie was sie vermöchten, Sind sie darin auch die Ächten.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 357.
  • Cai wei 采薇: Lied der Krieger beim Feldzuge gegen die Hian-jün (Anonymous (Shijing))
    Pflückt Farrenkeim! pflückt Farrenkeim! Die Gabelfarne sind im Sprossen. O ging' es heim! o ging' es heim! Doch wol ein Jahr ist dann verflossen. Uns blieb nicht Haus, nicht Hausgenossen, Dieweil die Hian-jün sich ergossen. Und Ruh' und Rast sind ausgeschlossen, Dieweil die Hian-jün sich ergossen. Pflückt Farrenkeim! pflückt Farrenkeim! Nun sind die Gabelfarne zart. O ging' es heim! o ging' es heim! Den Herzen bringt nur Leid die Fahrt. Leidvolle Herzen brennen hier, Bald hungern wir, bald dürfen wir, und eh' nicht unsre Gränzdienst' enden, Ist nicht um Nachricht heimzusenden. Pflückt Farrenkeim! pflückt Farrenkeim! Nun sind die Gabelfarne hart. O ging' es heim! o ging' es heim! Der zehnte Jahrsmond steht in Wart. Doch Königsdienst will keine Trägen; Wir dürfen nicht der Ruhe pflegen. Die Herzen sind voll Leid und Schmerz: Denn weiter geht's, nicht heimathwärts. Was aber prangt so herrlich da? Waldkirschen, welche Blüthen tragen? Was fähret auf der Straße da? Das ist des Heeresfürsten Wagen! Sein Kriegeswagen ist bespannt, Vor dem vier Hengste stolz sich wiegen. Wer wagt zu rasten und zu ruh'n? Ein Monat läßt uns dreimal siegen! Vier Hengste sind davorgespannt, Vier Hengste, kühn und kampferhitzt, Auf die der Heeresfürst sich stützt, Die der gemeine Mann beschützt, – Vier Hengste, Flügeln gleichgebracht, – Fischköcher, elfne Bogenpracht, – Wie hielten wir nicht täglich Wacht? Gar heftig drängt der Hian-jün Macht. Vordem, da wir hinausmarschirt, Da neigten sich die schwanken Weiden; Nun, wenn wir wieder heimwärts zieh'n, Wird Schneefall stöbern auf den Heiden. Der Marsch ist weit und nicht zu neiden, Nicht Durst, nicht Hunger sind zu meiden; Uns wird die Qual das Herz zerschneiden, Und keiner weiß von unsern Leiden.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 265-267.
  • Cao chong 草蟲: Aus dem Schi-king, 29. "Es zirpet laut die Grill' im Gras" (Anonymous (Shijing))
    Es zirpet laut die Grill' im Gras, Es hüpft die Heuschreck' übers Feld. Noch seh' ich nicht den hohen Mann, Mein banges Herz ist gramgeschwellt. Könnt' ich ihn doch erst sehen, o, Ihm erst entgegentreten, o, Dann wär' mein Herz in Ruh gestellt. Ich stieg das Südgebirg' hinan, Da hab' ich Strahlensprehn gepflückt. Noch seh' ich nicht den hohen Mann, Mein banges Herz ist leidgedrückt. Könnt' ich ihn doch erst sehen, o, Ihm erst entgegengehen, o, Dann wär' mein Herz mit Trost beglückt. Ich stieg das Südgebirg' hinan, Da pflückt' ich Gabelfarn am Grund, Noch seh' ich nicht den hohen Mann, Mein banges Herz ist kummerwund. Könnt' ich ihn doch erst sehen, o, Ihm erst entgegengehen, o, Dann wär' mein Herz still und gesund.

    in: Seliger, Paul (ed.). Der Völker Liebesgarten. Leipzig: Verlag Julius Zeitler, 1909. p. 10f.
  • Cao chong 草蟲: Sehnsucht nach dem entfernten Gemahl (Anonymous (Shijing))
    Es zirpet laut die Grill' im Gras, Es hüpft die Heuschreck' über's Feld. Noch seh' ich nicht den hohen Mann, Mein banges Herz ist gramgeschwellt. Könnt' ich ihn doch erst sehen, oh, Ihm erst entgegengehen, oh. Dann wär' mein Herz in Ruh gestellt. Ich steig das Südgebirg hinan, Da hab' ich Strahlensprehn gepflückt. Noch seh' ich nicht den hohen Mann, Mein banges Herz ist leidgedrückt. Könnt' ich ihn doch erst sehen, oh, Ihm erst entgegengehen, oh, Dann wär' mein Herz mit Trost beglückt. Ich stieg das Südgebirg hinan, Da pflückt' ich Gabelfarn am Grund. Noch seh' ich nicht den hohen Mann, Mein banges Herz ist kummerwund. Könnt' ich ihn doch erst sehen, oh, Ihm erst entgegengehen, oh, Ihm erst entgegengehen, oh, Dann wär' mein Herz still und gesund.

    in: Cramer, Johann (ed.). Schi-King, oder Chinesische Lieder, gesammelt von Confucius. Neu und frei nach A. La Charme's lateinischer Übersetzung bearbeitet. Fürs deutsche Volk hg. von Johann Cramer, Das himmlische Reich. Oder China's Leben, Denken, Dichten und Geschichte, 4 vols. Crefeld: Verlag der J. H. Funcke'schen Buchhandlung, 1844. p. 80.
    in: Hart, Julius and Hart, Heinrich (eds.). Das Buch der Liebe. Eine Blütenlese aus der gesammten Liebeslyrik aller Zeiten und Völker. Leipzig: Verlag von Otto Wigand, 1882.
  • Chang di 常棣: Die Bruderliebe (Anonymous (Shijing))
    Des wilden Kirschbaumes Blüthen, Erschimmern sie nicht voll und reich? Von allen Menschen unsrer Tage Sind keine doch den Brüdern gleich. Wenn Alle Tod und Trauer scheuen, So halten Brüder fest in Treuen; Und liegt's auf Berg und Thal zuhauf, Der Bruder sucht den Bruder auf. Bachstelzen laufen auf der Haid', So eilen Brüder zu im Leid. Die Einer hat, die guten Freunde, Sind nur zum Seufzen stets bereit. Die Brüder zanken wol im Hause, Doch draußen steh'n sie sich zur Wehr. Die Einer hat, die guten Freunde, Die eilen nicht zum Beistand her. Hat Leid und Streit dann aufgehört, Sind Ruh' und Frieden eingekehrt, Obwohl man dann auch Brüder habe, Man hält sie nicht gleich Freunden werth. Stell' deine Schüsseln du bereit, Und thu' im Wein vollauf Bescheid, Sind dann die Brüder dir zur Seit', Herrsch' Eintracht, Freud' und Zärtlichkeit. Sind Weib und Kinder hold verbunden, Das ist wie Harf' und Lautenklang; Und werden Brüder eins erfunden, Giebt's Freud' und Eintracht lebenslang. Mach' eins die deines Hauses sind, So hast du Freud' an Weib und Kind. Dem trachte nach, drauf sei gesinnt. Wirst seh'n, daß also sich's befind't!

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 259f.
  • Chang fa 長發: Zum Ahnenopfer des Schang-Hauses (Anonymous (Shijing))
    An Schang ward gründlicher Verstand Als sein Vorzeichen lang' erkannt. Da hoch der Fluth Gewässer stand, Es Jü vertheilt' auf allem Unterland, Die großen Außenland' in Gränzen band, Die rings umher sich ausgespannt, Da wurde Sung ein großes Land; Der Herr erhub den Sohn, und Schang entstand. Der schwarze König tapfer rang. Ihm ward ein kleines Land, und ihm gelang; Ihm ward ein großes Land, und ihm gleang. Fehllos verfolgt' er seinen Gang; Er sah nur hin, und Alles sprang. Siang-thu war so voll Feuerdrang, Daß er das Letzt' am Meer bezwang. Des Herrn Beschluß blieb unverkehrt, Er kam auf Thang, der war es werth; Und Thang ward nicht zu spät beschert. Mit Zucht und Weisheit stets genährt, Ward allgemach sein Glanz gemehrt. Der Höchste Herr, den er verehrt, Er hat den neun Gebieten zum Vorbild ihn gewährt. Die Edelstein' empfing er, groß und kleine, Ließ alle Lehn Behang am Banner sein. Des Himmels Huld gab ihm Gedeih'n. Von Ungestüm und Lässigsein, Von Härte wie von Schwäche rein, Regiert' er groß und ungemein, Und aller Segen wurde fein. Ihm ward Tribut von Klein und Groß gebracht; Er hat die Länder groß und reich gemacht. Des Himmels Huld war ihm erwacht. Weithin erwies er seine Macht; Und nie erregt, nie aufgebracht, Nie angeschreckt, nie scheu gemacht, – Hat aller Segen ihm gelacht. Und als der Held beim Banner stand Und fest die Steitaxt nahm zur Hand, Da glich er glühendem Feuerbrand, Und da war keiner, der uns widerstand. Die Wurzel hat drei Spross' entsandt, – Ihr Fortgang schwand, ihr Wachsthum schwand. Er nahm der neun Gebiete Land. Als Wei und Ku er überwand, Hielt mit Kuan-mu Hia Kie nicht Stand. Vordem in mittlern Zeiten war Das Land in Wanken und Gefahr. Doch traun! er war des Himmels Sohn; Der sandt' ihm einen Rath am Thron; Und dieser war Ngo-heng genannt, Der treu dem König Schang's zur Seite stand.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 515f.
  • Chang wu 常武: König Siuan's Krieg und Sieg (Anonymous (Shijing))
    In Majestät und hocherleuchtet Gebot der König seinem Rath, Der da Nan-Tschung zum Ahnherrn hat, Hoang-fu, dem Feldmarschall im Staat: "Nun rüste meine sechs Armeen, Und halt' mein Kriegsgeräth parat. Laß Sorg' und Eifer nicht ermüden Zum Frommen uns'rer Land' im Süden." Dann sprach der König zu dem Jin: "Dieß gieb dem Fürst von Tschhing Hieu-fu bekannt: Er ordne links und rechts den Marsch, All' meiner Heere Commandant; Er zieh' am Hoai entlang den Strand, Den Blick zum Lande Siu gewandt, Ohn' Aufenthalt und Stillestand. Der Feldbau gehe fort im Land." Voll Majestät und Festigkeit Ist der erhab'ne Himmelssohn. Der König rückt bedachtsam vor, Nicht hastig, noch im Zaudergange. Dem Siu-Land mehr und mehr wird bange, Das Siu-Gebiet erbebt, erschrickt; Als ob der Donner krach' und wüth' Erbebt, erschrickt das Siu-Gebiet. Der König, den sein Muth durchmannt, Wie grimmerfüllt, wie zornentbrannt, Schickt seine Tigerhelden vor, Gleich wilden Tigern wuthgespannt; Nimmt weit hinaus des Hoai Gestade, Ergreift Gefangne vielerhand, Und schneidet ab den Weg zum Strand, An dem das Heer des Königs stand. Der Königsschaaren Überschwang, Wie fliegend, wie beschwingt im Gang, Und wie der Han und wie der Kiang, Und wie des Berges breiter Fuß, Und wie des Stromes Flutherguß, Kommt langgereiht und festgefügt, Und unvermuthet, unbesiegt, Bis rings das Siu-Land ihm erliegt. Des Königs Art war echt und treu. Das ganze Siu-Land kam herbei. Ganz Siu-Land kam herbei. Ganz Siu-Land sammelt sich schon; So Großes that der Himmelssohn. Ruh' ist das ganze Reich entlang; Das Siu-Land kam zum Hofempfang. Das Siu-Land bleibt nicht wieder aus. Der König sprach: "Ziehn wir nach Haus!"

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 457f.
  • Che gong 車攻: Große Königliche Jagd zu Ehren der Lehnsfürsten (Anonymous (Shijing))
    Mit unsern Wagen, wohlverwahrt, Mut unsern Rossen, gleich gepaart, Mit je vier Hengsten edler Art Hinaus gen Osten ging die Fahrt. Jagdwagen warens, trefflich schier, Und groß die Hengste je zu vier; Im Osten ist weit Grasrevier, Dorthin zum Jagen fuhren wir. Die edlen Jägermeister drauf, Laut zählten sie der Männer Hauf, Und steckten Fahn und Jakschweif auf; Dann gings gen Ngao nach Wild im Lauf. Die Hengstgespanne trafen ein, Und Hengstgespann in langen Reihn, Und Scharlachschürz und Goldschuh fein, Als sollte Hofversammlung sein. Armschien und Schießring stimmten schön, Und Pfeil und Bogen paßten fein; Und alle Schützen halfen ein, Den Jagdertrag uns zu erhöhn. Manch Falbenspann der Zügel trieb, Kein Seitenroß zurückeblieb, Und keins den falschen Lauf beschrieb. Geschossner Pfeil war wie ein Hieb. Und fröhlich wieherten die Ross, Als Fahn und Fähnlein niederfloß. Still wurde Fuß- und Pferdetroß, Und voll nicht bloß die Küch im Schloß. Des Zuges Führer bei der Schar Vernahm man, doch kein Lärmen war. – O wahrlich ja, das ist ein Fürst! Der führet Großes aus, fürwahr!

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 287f.
    in: Gundert, Wilhelm. Lyrik des Ostens. München: Carl Hanser Verlag, 1952. p. 236f.
  • Che lin 車鄰: Anfänge feineren höfischen Lebens in Thsin (Anonymous (Shijing))
    Er hat viel Wagen, die rollen heran, Hat manch weißstirniges Rossegespann, Und nicht eh'r sieht man den hohen Herrn, Es meld' es ihm denn ein Verschnittener an. Lackbäume an Halden sich breiten, Kastanien auf niederen Weiten. Und lässet sich sehen der hohe Herr, So sitzen wir mit ihm beim Spiele der Saiten; Und ist dann Einer noch mißvergnügt, So wird er die Achtziger auch so beschreiten. Maulbeer'n an Halden ergrünen, Sahlweiden an niederen Bühnen. Und lässet sich sehen der hohe Herr, So sitzen wir mit ihm beim Spiel der Clarinen; Und ist dann Einer noch mißvergnügt, So bleibt er es auch, bis sein Ende erschienen.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 208.
  • Che xia 車轄: Auf dem Wege zur Braut (Anonymous (Shijing))
    Des Wagens Achsennägel knirschen mit Gesaus; Der zarten schönen Maid gedenkend, fahr' ich aus. Nicht Durst noch Hunger kommt mir ein: Bald wird die Tugendsame mein. Ob auch kein Freund sich zu uns fügt, Wir schmausen doch und sind vergnügt. Ist in der Eb'ne dichter Wald, Wird der Fasan zu ihm sich kehren. Wenn's Zeit ist für die hohe Maid, Wird mich's die Tugendreiche lehren. Dann schmausen wir, dann preis' ich sie: "Dich lieb' ich und ermüd' es nie!" Hab' ich auch nicht den besten Wein, Wir trinken dennoch eben wol; Hab' ich auch nicht das feinste Mahl, Wir speisen dennoch eben wol; Hab' ich auch Tugend nicht gleich dir, Doch singen wir und tanzen wir. Steigt man zu hohen Bergbereichen, So haut man Brennholz von den Eichen, O wieviel Laub ist allerwärts. Wenn ich nur selten dich gesehen, O wie erfreuet es mein Herz! Den hohen Berg erblickt man ja, Den weiten Weg beschickt man ja. Mein Hengstgespann rennt unaufhaltsam, Die Zügel sind wie Lautenspiel. Und seh' ich dich mir Unverlobte, So hat mein Herz des Wunsches Ziel.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 362f.
  • Chen feng 晨風: Allzulange Abwesenheit des Gatten (Anonymous (Shijing))
    Fort schwinget sich der Sperber dort Zum Waldesdickicht hin gen Nord. Noch seh' ich nicht den hohen Mann; Mein banges Herz denkt immerfort: Kann es denn sein, kann es denn sein, Daß er so ganz vergessen mein? Am Berg sind Eichen dicht und groß, Fünf Ulmen sind im Tales Schoß. Noch seh' ich nicht den hohen Mann; Mein banges Herz ist freudelos. Kann es denn sein, kann es denn sein, Daß er so ganz vergessen mein? Waldkirschen sind am Berges Saum, Im Tale steht der Holzbirnbaum. Noch seh' ich nicht den hohen Mann; Mein banges Herz ist wie ein Traum. Kann es denn sein, kann es denn sein, Daß er so ganz vergessen mein?

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 216.
    in: Oehlke, Waldemar. Chinesische Lyrik und Sprichwörter. Bremen-Horn: Walter Dorn-Verlag, 1952. p. 37f.
  • Chen gong 臣工: Zum Frühlingsopfer (Anonymous (Shijing))
    Auf, auf, Minister und Bestallte, Nehmt wahr was eures Amtes ist! Der König gab euch volle Weisung; Erwägt sie denn! bedenkt sie denn! Auf, auf, ihr Ackerbau-Gehülfen! Nun ist des Frühlings Ende da. Was ist denn nunmehr aufzusuchen? Wie steht's um Neubruch? Dreijahrsland? O, herrlich stehen Gerst' und Weizen. Einholen werden wir die Pracht. Der lichtgeschmückte Höchste Herr Verlieh darin ein reiches Jahr. Gebietet unsern Leuten allen, Bereit zu halten Karst und Hacke; Bald sehen wir der Sicheln Schnitt.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 477.
  • Chi xiao 鴟鴞: Des Tscheu-Fürsten Eulenlied (Anonymous (Shijing))
    Du Eule, o du Eule du! Schon hältst du meine Jungen fest; Zerstöre nicht mein ganzes Nest! Sie pflegt' ich, sie umklammert' ich, Der aufgenährten Jungen jammert mich. Bevor am Himmel schwarz die Regenwolken hingen, Sah man mich Maulbeerfasern bringen Und fest um Thür und Fenster schlingen. Und jetzt, du niedriges Geschlecht, Wagt Einer Schmach auf mich zu bringen? Mein' Klau'n erkrallten allestund, Wo ich ein Hälmlein fassen kunnt' Wo ich nur einzusammeln fund, Bis mir der Schnabel völlig wund. Ich sprach: Ich habe noch nicht fest des Hauses Grund. Nun sind die Schwingen mir verheert, Nun ist der Schweif mir weggezehrt, Gefahr ist in mein Haus gekehrt, Das Wind und Regenfluth durchstürmt, durchfährt; Mir bleibt nur noch ein Klagelied gewährt.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 242f.
  • Chou mou 綢繆: Vereinigung eines glücklichen Paares (Anonymous (Shijing))
    Sie: Fest schnüret man Holzbündel an; Das Drei-Gestirn steigt himmelan. O dieser Abend, welch ein Abend! Da seh' ich ihn, den guten Mann. O meines Glücks! o meines Glücks! Wo giebt es denn noch solchen guten Mann? Beide: Fest schnüret man Heubündel ein; Das Drei-Gestirn blinkt schräg herein. O dieser Abend, welch ein Abend! Seh'n wir ein solches Stelldichein! O unsres Glücks! o unsres Glücks! Wo gab es je ein solches Stelldichein? Er: Fest schnüret man Dornbündel zu. Der Drei-Stern strahlt der Thüre zu. O dieser Abend, welch ein Abend! Ich sehe dich, du Schöne du! O meines Glücks! o meines Glücks! Wo giebt es solche Schöne noch wie du?

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 200.
  • Chu che 出車: Rückmarsch der Truppen nach Besiegung der Hian-jün (Anonymous (Shijing))
    Wir zogen aus mit unsern Wagen Dort auf der Heerden Weideplan. Her von des Himmelssohnes Stelle War uns zum Marsch Befehl gethan. Man rief herbei die Wagenlenker, Hieß sie die Wagen spannen an. Des Königs Dienst war höchlich dringend; Wol spornet er zum Eifer an. Wir zogen aus mit unsern Wagen Soweit die Stadtmark sich erstreckt. Das Schlangenbanner ward erhoben, Der Jakstierschweif ward aufgesteckt. Und Vogelbanner, Schlangenbanner, Wie flatterten sie nicht einher! Doch Kummer war in bangen Herzen, Die Wagenlenker sorgenschwer. Der König gab Nan-tschung Befehl, Zur Wehr sah man zieh'n die Wagen Und Drach'- und Schlangenbanner ragen. Der Himmelssohn gab uns Befehl, Zur Wehr des Nordlands fortzujagen; Und glorreich, glorreich war Nan-tschung: Die Hian-jün sind hinausgeschlagen. Vordem, da wir hinwegmarschirten, Die Hirse blühend erst sich bot; Nun, da wir heimwärts wieder ziehen, Nun fällt der Schnee, wir geh'n im Koth. Des Königs Dienst war höchlich dringend, Gönnt' uns die Rast nicht, die uns noth. Ob wir nicht dachten heimzukehren? – Wir scheuten jener Schrift Gebot. "Laut zirpt im Gras die Grille jung, Es hüpft die Heuschreck' hin im Sprung; Noch seh' ich nicht den hohen Mann; Mein armes Herz hat Grams genung. Könnt' ich erst seh'n den hohen Mann, Dann hätt' mein Herz Beruhigung." – O glorreich, glorreich ist Nan-tschung, Im Westen züchtigt er die Sjung. Nun ist der Frühling vorgerückt, Mit Laub ist Kraut und Baum geschmückt, Der gelben Vöglein Sang entzückt, Wermuth wird schaarenweis gepflückt. Mit Sträflingen, Gefangenhaufen Wird in die Heimath eingerückt; Denn glorreich, glorreich ist Nan-tschung: Nun sind die Hian-jün unterdrückt.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 268-270.
  • Chu ci 楚茨: Der große Opferdienst im Ahnentempel (Anonymous (Shijing))
    Wo wild Gesträuch verworren stand, Riß man die Dornen aus mit Händen; Warum ward das voreinst gethan? Daß unsre Hirsen Anbau fänden; Daß Hirs' uns reif' im Überfluß Und Opferhirse zum Verschwenden; Und wären unsre Speicher voll, Und tausend Feimen aller Enden, – Zu Speis' und Wein sie zu verwenden, Zur Darbringung, zu Opferspenden, Um hinzutreten, einzuladen, Noch größern Segen herzuwenden. Voll Würd' und Anstand geh'n wir fein, Mit Stieren und mit Widdern rein, Zum Herbst, und Winteropfer ein. Die häuten ab, Die kochen klein, Die richten zu, Die tragen ein. Der Beter opfert thürherein. Gar glänzend sind die Opferweih'n; Und herrlich zieh'n die Ahnen ein; Es freuen sich die Geisterreih'n; Sie lohnen ihm mit großem Segen, Sein Alter soll ohn' Ende sein. Am Herd' ist eifriger Verkehr, Gewalt'ge Trachten stellt man her; Der bratet und es röstet Der. Die hohen Frau'n gehn still einher, Und richten an der Schüsseln Heer. Die Fremden und die Gäst' umher Trinken sich zu in Kreuz und Quer. Man feiert ganz nach Brauchs Begehr; Lächeln und Wort sind schicklich sehr. Die Geister thun sich gnädig her, Und lohnen es mit großem Segen, Zehntausend Jahren und noch mehr. Sind wir ermattet ganz und gar, Da nichts am Brauch versäumet war, So kommt dem weisen Beter Kunde, Der giebt's dem frommen Enkel dar: "Süß roch des frommen Opfers Weise; Die Geister freute Trank und Speise. Sie fügen, daß dich Glück umkreise, Gehoffterweis', verdienterweise. Du zeigtest Eifer, bliebst im Gleise, Du thatst es recht, du sorgtest weise: Sie schenken dir das Höchst' im Preise Zehntausend-, hunderttausende." Erfüllt ist jeder Brauch zur Stunde, Es mahnten Glock' und Pauk' im Bunde, Der fromme Enkel ging zum Thron; Da kommt dem weisen Beter Kunde: "Satt ist des Weins der Geisterchor." Da steht der Todtenknab' empor. Ihn leiten Pauk' und Glock' hinaus; Die gnäd'gen Geister zieh'n nach Haus. Die Schaar der Diener und der Frauen Trägt alles ungesäumt hinaus. Die Oheim' aber und die Brüder Vereinigt ein besondrer Schmaus. Spielleute treten ein, mit Tönen Den Folgesegen zu verschönen; Und sind die Speisen aufgetragen, Fühlt Keiner Unlust, nur Behagen. Dann, satt von Speisen, satt vom Wein, Verneigt die Häupter Groß und Klein: "Die Geister werden, froh des Mahles, Lang Leben unserm Herrn verleih'n. Ganz willig, ganz zur rechten Zeit Erfüllt' er alles nach Gebühren. Ihr Söhn' und Enkel allzumal, Ermangelt nicht, es fortzuführen!"

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 347-349.
  • Chu qi dong men 出其東門: Die einfache Einzige (Anonymous (Shijing))
    Da draußen vor dem Osterthor Sind Mädchen wie ein Wolkenzug; Doch ob sie wie ein Wolkenzug, Mein Sinn nimmt nicht dahin den Flug. Ein weißes Kleid, ein buntes Tuch, O sie erfreun mich allgenug. Da draußen vor dem Mauerthor Sind Mädchen wie ein Blumenflor; Doch ob sie wie ein Blumenflor, Mein Sinn ist nicht bei ihrem Chor; Ein weißes Kleid, ein rother Flor, Sie gehn mir allen Freuden vor.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 172.
  • Chun zhi ben ben 鶉之奔奔: Schlimme Verwandtschaft (Anonymous (Shijing))
    Die Wachteln leben gleichgesellt, Die Eltern leben gleichgepaart. Der Mann ist nicht von guter Art, Der mir zum ältern Bruder ward. Die Eltern leben gleichgepaart, Die Wachteln leben gleichgesellt. Das Weib ist nicht von guter Art, Die mir als Fürstin ist gesellt.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 120.
  • Da che 大車: Warum sie nicht gekommen (Anonymous (Shijing))
    Mit Rasseln bracht' ein großer Wagen Ein schilfgrün Galakleid getragen. Wie hätt' ich deiner nicht gedacht? Furcht vor dem Herrn ließ mich's nicht wagen. Ein großer Wagen knarrend naht, Ein Galakleid drin wie Granat. Wie hätt' ich deiner nicht gedacht? – Furcht vor dem Herrn verbot den Pfad. Im Leben ist dein Haus nicht mein's, Im Tod ist unser Grab nur ein's. Du sagst, ich sei dir nicht getreu? Ich bin's, beim Licht des Sonnenscheins!

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 151.
  • Da dong 大東: Die vernachlässigten Ostlande (Anonymous (Shijing))
    Einst gab es Mahl' aus vollen Schüsseln, Die Dornholzlöffel bogen sich; Der Weg nach Tscheu dem Wetzstein glich, Er lief in pfeilgeradem Strich; Ihn schritten Herrn gar würdiglich, Der kleine Mann besah sie sich. Nun blick' ich rückwärts, denke deß, Und wein' und bad' in Thränen mich. In jedem Ostland, klein wie groß, Steh'n Spul' und Webstuhl nackt und bloß. Dünn sind die Schuh', aus Ko gewebt, Darin man kann beim Froste geh'n; Kann arbeitsscheue Fürstensöhne Des Wegs nach Tscheu hin wandern seh'n. Und schon ihr Gehen, schon ihr Kommen Macht mir das Herz von Weh' beklommen. Der kalten Quellen Überlauf Näss' uns nur nicht die Brennholzbeute! Vor Kummer wach' ich seufzend auf; O wehe, wir geschlagnen Leute! Gehauen stand die Brennholzbeute, Einfahren könnte man sie nun, – O wehe, wir geschlagnen Leute, Daß wir doch einmal könnten ruh'n! Der Ostgebiete Leute Söhne, Ihr harter Dienst bleibt unerkannt. Der Westgebiete Leute Söhne Geh'n angethan mit Prachtgewand. Der bloßen Schifferleute Söhne In reichen Bärenpelzen geh'n, Und der geringsten Leute Söhne In allen hundert Ämtern steh'n. Wenn Einer nimmt von seinem Wein, Hält er ihn nicht für starken Trank. Und sein besetztes Gurtgestein, Es dünket ihn nicht eben lang, Wol steht die Milchstraß' an dem Himmel Und blickt herab und schimmert blank; Des Dreigestirnes Weberinnen Zieh'n täglich sieben Grad' entlang – Doch ob auch sieben Grad' entlang, Sie schaffen nichts für schönen Dank. Der Zugstier, der da oben blinket, Zieht nicht an unserm Wagenstrang. Ob Morgenstern aus Osten drang; Ob Abendstern dem West entsprang; Ob lang das Hafennetz sich krümmet – Sie alle geh'n nur ihren Gang. Wol stehet da das Sieb im Süden, Mit dem zu sichten doch noch nie gelang. Wol steht die Schöpfekell' im Norden, Doch schöpfet man mit ihr nicht Wein noch starken Trank. Wol stehet da das Sieb im Süden, Das uns doch nur die Zunge bleckt, Die Schöpfekelle steht im Norden, Die ihren Griff nach Westen streckt.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 336-338.
  • Da ming 大明: König Wen's Bestimmung, von König Wu bethätigt (Anonymous (Shijing))
    Erleuchtung Leuchtender hienieden – Glorreiche Glorie in den Höh'n! Des Himmels Schluß ist schwer zu trauen, Und nicht ist's leicht, als König steh'n. Dem Erben von Jin's Himmelssitze, Ihm ließ er den Besitz des Reichs entgeh'n. Sjin war's, die zweitgebor'ne Tschi, Entstammt von Jin-Schang's Fürstenschaar, Die zur Vermählung kam nach Tscheu, Daß sie der Hauptstadt Fürstin war; Wo sie mit König Ki zusammen In Tugend wandelt' immerdar. Und als Thai-Sjin war schwanger worden, War's König Wen, den sie gebar. Und das war dieser König Wen, Der ehrfurchtsvoll, herzangelegen, So klar gedient dem Höchsten Herrn, Dass er empfangen großen Segen. In seiner Tugend war kein Fehl, Drum nahm er alle Land' entgegen. Des Himmels Obhut für's Hienieden Hatt' ihm das Amt schon zugedacht; Für König Wen in frühsten Jahren Auch die Genossin schon gemacht Im Norden von des Hia Gewässern Und an des Wei-Stroms Uferseit', Als König Wen ging auf die Freit', War dort des großen Landes Maid. Dort war des großen Landes Maid, Gleich einer Himmlischen an Zier. Als Brauch bestimmt den günst'gen Tag, Zog er zum Wei entgegen ihr. Er ließ die Brück' aus Schiffen bauen. War da nicht Herrliches zu schauen? Vom Himmel war das Amt verlieh'n, War Wen bestimmt zum Königsrang In Tscheu, in seiner Stadt Umfang. Und sie, die Erbin war von Sin, Die Erstgebor'ne, that den Gang, Von welcher König Wu entsprang, Beschützt, geholfen und berufen Zum Kampfe mit dem großen Schang. Der Jin-Schang Heeresmacht zum Streite, Die wie ein Wald versammelt war, Ward aufgestellt auf Mu's Gebreite. Wir aber traten freudig dar: "Der Höchste Herr ist dir zur Seite; Dein Herz sei jedes Zweifels bar!" Das Feld von Mu lag weit entlang, Die Sandelwagen blitzten blank, Der Schimmelspanne Stampfen klang. Da war der Heeresfürst Schang-fu Ein Adler, welcher sich erschwang Und König Wu zu Hülfe drang. Stracks warfen sie das große Schang. Schlachtmorgen –: Lichtes Überschwang!

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 392-394.
  • Da shu yu tian 大叔于田: Prinz Schu als Wagenlenker und Jäger (Anonymous (Shijing))
    Schu ist zum Jagen aus, Er fährt sein Viergespann, Hält Fäden gleich die Zügel an, Die Außenrosse tanzen dran. Schu ist im wilden Bruch; Feuer und Flammen sprühen hinan; Nacktarmig packt er den Tiger an, Und bringt ihn vor den Fürsten dann. Schu, stelle das nicht nochmals an! Meid's, daß er dich zerfleischen kann! Schu ist zum Jagen aus, Er fährt den Salbenzug, Gleich sind die Deichselroß' am Bug, Die Außenroß' im Kranichflug. Schu ist im wilden Bruch; Feuer und Flammen lodern g'nug; Wie schießt da Schu so prächtig, ah! Wie lenkt er dann so mächtig, ah! Wie treibt er an, wie hält er, ah! Wie zielet er, wie schnellt er, ah! Schu ist zum Jagen aus, Vier Apfelschimmel vor; Die innern gleich mit Kopf und Ohr, Die äußern stellen Hände vor. Schu ist im Bruch und Moor; Feuer und Flammen sprüh'n empor. Schu's Rosse geh'n gelassen, ah! Schu will mit Schießen passen, ah! Den Köcher abgezogen, ah, Verschließt er seinen Bogen, ah!

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 156f.
  • Da tian 大田: Gleichfalls landwirthschaftlich (Anonymous (Shijing))
    Das Feld ist groß, der Einsaat viel; Und ist's vertheilt, gemacht der Plan, Ist vorgekehrt, so geh'n wir dran, Und unsrer Pflüge scharfer Zahn Hebt sein Geschäft beim Südfeld an. Wir säen drein von allen Früchten; Und sprossen und gedeih'n sie drin, So ist's nach des Urenkels Sinn. Wenn sie sich ähren, wenn sie lasten, Hart werden, gut von Eigenschaften, Nicht Lolch noch Unkraut drin behaften, Sucht man das Ungeziefer ab, Von Keim und Wurzel, Schoß und Stab, Daß unsrer jungen Saat kein Schaden drohe; Des Ackerbaues Ahn, der Geist, Ergreift und wirft's in Feuers Lohe. Und steigt ein dicht Gewölk heran, So hebt ein milder Regen an; Und regnet's auf des Fürsten Äcker, So kommt's auch auf die unsern dann! Da sind dann Halme, nicht geholt zur Ernte, Hier sind dann Büschel, die man nicht entfernte, Dort ließ man Händevoll zurück, Und hier sind liegenbliebne Ähren, Daß sie den Wittwen zu Gewinne wären. Und der Urenkel kommt daher, – Indeß der Frau'n und Kinder Heer Zum Südfeld bringt die Speisen her; Froh naht der Vogt der Ackerer; – Er kommt geweiht, den Weltrevieren Mit rothen und mit schwarzen Thieren, Mit seinen Hirsen nach Gebüren Zu opfern, zu sacrificiren, Und noch mehr Glück herbeizuführen.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 354f.
  • Dang 蕩: Warnungen an König Li (Anonymous (Shijing))
    Erhaben ist der Höchste Herr, Des Untervolks Obwaltender. Erschrecklich ist der Höchste Herr, Deß Will' ist nicht verläss'ge Spende. Es mangelt nie beim Anbeginn, Doch Wenige besteh'n am Ende. Der König Wen sprach: Wehe dir, O, wehe dir, du Jin und Schang, Wo solche grausame Bedrücker, Wo solche harte Zinseinpfänder; Wo solche hoch in Würden steh'n, Wo solche walten deiner Länder! Der Himmel schuf die Tugendschänder, Doch du bist ihrer Vollmacht Spender. Der König Wen sprach: Wehe dir, O, wehe dir, du Jin und Schang! Du hältst als Leute guter Sinnen Tyrannen, die nur Haß gewinnen, Die dich mit Redefluß umspinnen Und Dieb' und Räuber sind da drinnen. Drum das Verfluchen, das Verschwören Ohn' alle Gränz', ohn' aufzuhören. Der König Wen sprach: Wehe dir, O, wehe dir, du Jin und Schang! Du blähst dich übermüthig in der Landesmitte, Und Haß zu ernten dünkt dir Tugendsitte. Du kennst nicht deine Tugendsitte, Drum fehlet, der dir nach und mit dir schritte; Kennst deine Tugendsitte nicht, Drum Helfer und Berather dir gebricht. Der König Wen sprach: Wehe dir, O, wehe dir, du Jin und Schang! Der Himmel ist es nicht, der dich mit Wein berauscht, Und dich verführt zu Ärgerniß; Du bist's, der sich der Zucht entriß, Nicht achtet Licht noch Finsterniß, Und bei Geschrei und Jauchzen macht Das helle Tageslicht zur Nacht. Der König Wen sprach: Wehe dir, O, wehe dir, du Jin und Schang! Es ist wie wirrer Grillenanfang, Wie Sprudelbrüh' im Siededrang; Und Klein und Groß naht Untergang, Und doch zieh'n Jene stets denselben Strang. Inwendig wächst der Grimm im Mittellande, Bis zum Dämonenland entlang. Der König Wen sprach: Wehe dir, O, wehe dir, du Jin und Schang! Nicht kommt vom Höchsten Herrn die böse Zeit: Jin läßt das Alterthum beiseit. Und hat es auch nicht alterfahr'ne Männer, So hat es doch Gesetz und Lehren; Allein es will auf sie nicht hören; Das wird sein großes Amt zerstören. Der König Wen sprach: Wehe dir, O, wehe dir, du Jin und Schang! Die Leute haben einen Spruch: "Wo etwas sich zum Fallen kehrt, Und Zweig' und Blätter sind noch unversehrt, Da ist die Wurzel schon zerstört." Jin hat den Spiegel nah' genug; Die Zeit der Herrscher Hia's hat ihn gewährt.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 432-434.
  • Di dong 蝃蝀: Leichtfertige Mädchen (Anonymous (Shijing))
    Wenn der Regenbogen im Osten steht, Wagt's keiner und zeigt mit Fingern darauf. Und geht ein Mädchen seines Wegs, So giebt es Ältern und Brüder auf. Und steigt er Morgens in Westen auf, So ist mit dem Morgen der Regen vorbei. Und gehet ein Mädchen seines Wegs, So macht es von Ältern und Brüdern sich frei. Ist aber Eine dergleichen dann, Die nur an das Heirathen denken kann, Der kommt's auf Treue gar wenig an, Und kein Gebot erkennet sie an.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 123.
  • Di du "You di zhi du, qi ye xu xu" 杕杜 "有杕之杜,其葉湑湑": Der Bruderlose (Anonymous (Shijing))
    Es steht ein Sorbenbaum allein, Ob Laub im Übermaß auch sein. Vereinsamt, freundlos schreit' ich drein. – Und gäb' es denn nicht andre Menschen? – Doch Keinen, der von Vaters wegen mein! O all' ihr Wandrer auf den Straßen, Warum gesellt sich keiner mir? Ich bin ein Mensch ja ohne Bruder; Warum ach hilft nicht Einer mir? Es steht ein Sorbenbaum allein, Ob auch von Laubesmenge schwer. Vereinsamt schreit' ich, liebeleer. – Und gäb' es denn nicht andre Menschen? – Doch Keinen, der da mein von Hause wär'! O all' ihr Wandrer auf den Straßen, Warum gesellt sich Keiner mir? Ich bin ein Mensch ja ohne Bruder; Warum ach hilft nicht Einer mir?

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 201.
  • Di du "You di zhi du, you huan qi shi" 杕杜 "有杕之杜,有睆其實": Sehnsucht der Frauen nach der Rückkehr der Krieger aus dem Feldzuge gegen Hian-jun (Anonymous (Shijing))
    Ein Sorbenbaum steht fern den Bäumen, Mit Früchten herrlich anzuseh'n. Des Königs Dienst will kein Versäumen, Und unsre Tage geh'n und geh'n. Im zehnten Mond sind Mond' und Sonnen, Der Frauen Herz hält Gram umsponnen: O wär' der Krieger Zeit verronnen! Ein Sorbenbaum steht fern den Bäumen Mit Laub in voller Üppigkeit. Des Königs Dienst will kein Versäumen, Und unser Herz ist weh vor Leid. Ob Kraut und Baum sich grün verbrämen, Die Frauenherzen sind voll Grämen: O daß die Krieger wiederkämen! Wir stiegen auf den Berg im Norden, Da sammelten wir Mispeln ein. Des Königs Dienst will kein Versäumen, Und unsre Eltern leiden Pein. Wol Sandelwagen sind zerrieben, Wol Hengstgespanne abgetrieben, Doch nicht die Krieger fern geblieben. Nicht packen sie, nicht kommen sie! Gar tiefbetrübt sind unsre Herzen. Die Zeit ist um, sie sind nicht hie, Und größer werden unsre Schmerzen. Schildkröt' und Schikraut stimmen ja Und sagen beide, sie sind nah. O bald sind unsre Krieger da!

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 271f.
  • Ding zhi fang zhong 定之方中: Lob des Fürsten Wen von Wei (Anonymous (Shijing))
    Der Ting-Stern trat dem Hochpunkt zu, Da baut' er den Palast in Thsu; Den Stand der Sonne prüft' er aus, Und baute sich in Thsu das Haus, Pflanzt' Haseln und Kastanien aus, Auch Ji-, Thung-, Tse-, und Firniß-Baum, Zu schnitzen Laut' und Harfe draus. Er stieg auf jene Trümmerhöhn, Um gegen Thsu hinauszusehn; Er sah hinaus auf Thsu und Thang, Das Hochgebirg, der Hügel Hand, Nahm zu den Maulbeern seinen Gang, Befrug das Loos, und günstig war's; Darnach denn ächtes Wol entsprang. Und nach ergieb'gem Regenguß, Zum Wagenlenker er begann: Beim Sternlicht spann' im Frühsten an, Und halt' im Maulbeerfelde dann! – Und nicht nur also that der Mann; Sein Herz hielt fest und ernstlich dran; Dreitausend Stuten er gewann.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 121f.
  • Dong fang wei ming 東方未明: Unzeitige Geschäftigkeit des Fürsten (Anonymous (Shijing))
    Bevor es noch im Osten klar, Verkehrt' ich in die Kleider fahr', Hier überquer, dort umgekehrt, Weil mein bereits der Fürst begehrt. Bevor's im Osten dämmern kann, Werf' ich verkehrt die Kleider an, Hier umgekehrt, dort überquer, Denn schon berief der Fürst mich her. Umzäunt man Gärten nur mit Weiden, Wird auch ein Schwachkopf scheu sie meiden. Wer Tag und Nacht nicht weiß zu scheiden, Fehlt, wenn nicht früh, dann spät an beiden.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 179.
  • Dong fang zhi ri 東方之日: Zuthulichkeit und Scheu (Anonymous (Shijing))
    Wenn im Osten wird die Sonne wach, O welch allerliebstes Mädchen Ist in meinem Wohngemach! Ist's in meinem Wohngemach, Spürt's nach mir und kommt mir nach. Wenn im Osten tritt der Mond herfür, O welch allerliebstes Mädchen Ist dann binnen meiner Thür! Ist's dann binnen meiner Thür, Spürt's nach mir und flieht von mir.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 178.
    in: Oehlke, Waldemar. Chinesische Lyrik und Sprichwörter. Bremen-Horn: Walter Dorn-Verlag, 1952. p. 37.
  • Dong men zhi chi 東門之池: Die Gescheidte (Anonymous (Shijing))
    Gräben an dem Osterthore Können Hanf zum Rösten bringen. Jene holde, gute Schöne, Herrlich weiß sie uns zu singen. Gräben an dem Osterthore Können Nesseln röstend spalten. Jene holde, gute Schöne, Herrlich kann sie unterhalten. Gräben an dem Osterthore Lassen Fasergras zergehen. Jene holde, gute Schöne, Herrlich kann sie Rede stehen!

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 223.
  • Dong men zhi fen 東門之枌: Getäuschte Neigung (Anonymous (Shijing))
    An dem Osterthor sind Ulmen, Auf dem Juan-Gebirg sind Eichen, Und des Tse-tschung schöne Tochter Tanzt darunter ohne Gleichen. That den schönen Tag erküren Für den freien Platz in Süden, Nicht um sich beim Hanf zu rühren, Nein, den Reigen anzuführen. Schönen Tag, um auszustreifen, Mit der Meng' umherzuschweifen! – Sah in dir die Malvenrose –: Reicht sie mir die Pfefferdose!

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 221.
  • Dong men zhi shan 東門之墠: Abwesenheit (Anonymous (Shijing))
    An des Osterthores Breite Blüht der Krapp dem Wall zur Seite. Ach das Haus, da ist es nah, Doch sein Herr ist in der Weite. Bei des Thors Kastanien drauß' Stehn gereihet Haus an Haus. Wie gedächt' ich da nicht deiner? Doch du trittst mir nicht heraus.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 168.
  • Dong men zhi yang 東門之楊: Getäuschte Erwartung (Anonymous (Shijing))
    Die Weiden an dem Osterthor Die steh'n in vollem Blätterflor. Auf Abend war die Zeit bestimmt, – Nun strahlt der Morgenstern hervor. Die Weiden an dem Osterthor Die steh'n in vollem Blätterkranz. Auf Abend war die Zeit bestimmt, – Nun strahlt der Morgenstern mit Glanz.

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 224.
  • Dong shan 東山: Die Heimkehr der Truppen von des Tscheu-Fürsten Feldzuge gegen die Empörer (Anonymous (Shijing))
    Wir zogen nach des Ostens Bergen, Lang', lange sonder Wiederkehr. Da wir vom Osten kamen wieder, Da fiel der Regen strömend nieder. – Als man im Osten rief zur Kehr, Schmerzt' uns das Herz nach Westen sehr. Wir stellten Röck' und Kleider her; Kein Dienst erzwang die Reihen mehr. Ein Wimmeln war's, wie Raupen machten, Wo sich ein Maulbeerfeld erstreckt. Dann gab's ein still und einsam Nachten, Nur von den Wagen überdeckt. Wir zogen nach des Ostens Bergen, Lang', lange sonder Wiederkehr. Da wir vom Osten kamen wieder, Da fiel der Regen strömend nieder. – "Des wilden Kürbiß Früchte klammern Sich wol an unser Dach empor; Die Asseln sind in unsern Kammern, Und Spinnenweben in dem Thor; Die Hirsche weiden auf den Wiesen, Glühwürmer schimmern über diesen" – Wol konnte Furcht uns kränken so, Es war ja wol zu denken so! Wir zogen nach des Ostens Bergen, Lang', lange sonder Wiederkehr. Da wir vom Osten kamen wieder, Da fiel der Regen strömend nieder. – Vom Ameisberg der Kranich schrie; Die Frau, im Hause seufzte sie, Wusch, fegte, stopfte jede Fuge. Da kehrten wir von unserm Zuge. Die Bitterkürbiss' hingen voll, Die in Kastanienästen waren, Von unsern Augen nicht erblickt Bis diesen Tag seit dreien Jahren. Wir zogen nach des Ostens Bergen, Lang', lange sonder Wiederkehr. Da wir vom Osten kamen wieder, Da fiel der Regen strömend nieder. – Nun fliegt das gelbe Vögelein Und schimmernd glänzen seine Flügel. Die Jungfrau zieht zur Hochzeit ein, Und Füchs' und Schecken lenkt der Zügel. Die Mutter band die Schärp' ihr an, Neun-, zehnfach ist ihr Schmuck gethan. Das Frische lockt gar lieblich an; Das Alte – was reicht da hinan?

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 244-246.
  • Du ren shi 都人士: Die besseren Zeiten vor Verlegung der Residenz (Anonymous (Shijing))
    Ach jener Königsstadt Beamte, Mit gelbem Fuchspelz angethan, Mit ihrer wandellosen Haltung, Mit Worten fein und lobesan! – O ging' es doch zurück nach Tscheu, Wohin die Völker alle sah'n! Ach jener Königsstadt Beamte Mit schwarzer Haub' und Hut von Bast; Und jene hochgebor'nen Frauen Mit vollem Haar, so schlicht gefaßt! – O daß ich sie nicht mehr erblicke! Unlust ist meines Herzens Gast. Ach jener Königsstadt Beamte, Mit Ohrbehang von Edelstein; Und jene hochgebor'nen Frauen, Die Jin und Ki nur konnten sein! – O daß ich sie nicht mehr erblicke – Wie schnüret es das Herz mir ein! Ach jener Königsstadt Beamte, Mit Hängegürteln lang und schön; Und jener hochgebor'nen Frauen Skorpionengleiches Lockendreh'n! – O daß ich sie nicht mehr erblicke! Wie wollt' ich weit nach ihnen geh'n! Sie brauchten jene nicht zu längen, Die Gürtel reichten weit hinaus. Sie brauchten diese nicht zu kräuseln, Die Haare waren selbst schon kraus. O daß ich sie nicht mehr erblicke! Wie sehnlich schau' ich darnach aus!

    in: Strauß, Victor von. Schi-king. Das kanonische Liederbuch der Chinesen. Heidelberg: Carl Winter's Universitätsbuchhandlung, 1880. p. 374f.